Das Feuer war am 13. Juni im ersten Stock des Hauses mutmaßlich gelegt worden und löste einen Großeinsatz der Feuerwehr aus. Foto: SDMG//Krytzner

Ein 51-Jähriger ist des versuchten Mordes angeklagt. Er soll sein Haus im Nürtinger Stadtteil Neckarhausen angezündet und seine Mieter in Todesgefahr gebracht haben. Der Angeklagte schweigt.

Nürtingen/Stuttgart - Hat der 51-jährige Angeklagte im vergangenen Juni sein Haus in Nürtingen-Neckarhausen angezündet oder war es eine andere Person, die das Feuer gelegt hat? Und sollte er der Brandstifter sein, welches Motiv hat ihn dann zu dieser Tat bewegt? Dass die Flammen absichtlich entfacht wurden, ist im Prozess vor dem Landgericht Stuttgart durch kriminaltechnische Untersuchungen nahezu zweifelsfrei belegt worden. Ebenso gilt als sicher, dass die zwei Mieter des Angeklagten dadurch in Todesgefahr gebracht wurden. Deshalb muss sich der Mann seit 6. Dezember nicht nur wegen schwerer Brandstiftung, sondern zudem wegen versuchten Mordes verantworten.

Verteidiger zweifelt Gutachten an

Die Frau und der Mann, die die Wohnungen über und unter jener des Angeklagten bewohnten, konnten noch rechtzeitig gewarnt werden und das Haus verlassen. Eigentlich war von der 1. Strafkammer für diesen Freitag der letzte Verhandlungstag angesetzt worden. Aber mit einer Urteilsverkündung kann erst im neuen Jahr gerechnet werden. Der Verteidiger des 51-jährigen Angeklagten hatte diverse Beweisanträge gestellt, mit denen unter anderem die für seinen Mandanten belastenden Gutachten entkräftet werden sollten. Beispielsweise wollte er eine Expertise eines von ihm beauftragten Brandgutachters einbringen, weil er an der Sachkenntnis und am Gutachten des Experten vom Landeskriminalamt (LKA) zweifelt.

Zudem wollte er mit einer gesonderten Untersuchung der Schlösser und Schlüssel des in Brand gesteckten Hauses belegen, dass sich vor dem Brandausbruch ein Dritter Zutritt zu dem Gebäude verschafft haben könnte. Der Bericht eines LKA-Experten hatte keine Hinweise auf eine Manipulation der Schließzylinder oder auf eine Kopie der Schlüssel ergeben. Diese beiden Forderungen des Anwalts wurden von der Kammer unter dem Vorsitz der Richterin Ute Baisch allerdings ebenso als unbegründet abgelehnt wie einige weitere seiner Beweisanträge.

Motivlage ist unklar

Welches Motiv der Angeklagte gehabt haben soll, an jenem frühen Morgen des 13. Juni mittels eines flüssigen Grillanzünders an drei verschiedenen Stellen Feuer zu legen und damit einen Schaden von rund 150 000 Euro anzurichten, blieb auch am Freitag im Dunkeln.

Zwar war der 51-Jährige nach der Scheidung von seiner Frau in finanzielle Schwierigkeiten geraten, weil dieser ein Zugewinnausgleich von rund 57 000 Euro zustand. Zunächst sah er die Lösung des Problems nur darin, das Haus zu verkaufen, das er später unbedingt der gemeinsamen Tochter vermachen will. Doch wenige Tage vor dem Brand hatte ihm eine Bankmitarbeiterin in Aussicht gestellt, er könne die Zahlung möglicherweise mit einer Finanzierung bewältigen. Seine Laune und Zuversicht sind laut Zeugenaussagen entsprechend gut gewesen, als er sich am Abend des 8. Juni zu einem gemeinsamen Essen mit Freunden traf.

Keine psychische Erkrankung

Einer psychiatrischen Sachverständigen zufolge finden sich bei dem Angeklagten keinerlei Hinweise auf eine seelische Erkrankung oder eine Persönlichkeitsstörung. Auch eine Beeinträchtigung durch Alkohol, Drogen und Medikamente scheide aus. Zudem sei er laut seiner Schwester in „normalen, geordneten Verhältnissen“ aufgewachsen. Das Fazit der Gutachterin: Der Mann sei „psychopathologisch komplett unauffällig“. Dabei stütze sie sich auf den Eindruck, den der 51-Jährige während der Verhandlung hinterlassen habe und welchen Zeugen von ihm gezeichnet hätten. Eine persönliche Untersuchung in der Haft sei gescheitert, weil der Verteidiger des Angeklagten den – freilich kurzfristig anberaumten – Termin nicht wahrgenommen habe.

Den Zugewinnausgleich von 57 000 Euro für die Ex-Frau, dessen Zahlung am 12. Dezember fällig geworden wäre, haben inzwischen seine Schwester und ein befreundetes Ehepaar überwiesen, um eine Zwangsvollstreckung zu vermeiden. Die Verhandlung wird fortgesetzt.