Bei bestem Wetter mit einem PS auf Tour durchs idyllische Tiefenbachtal Foto: /Horst Rudel

Die Sperrung der Straße durchs malerische Tiefenbachtal für den motorisierten Verkehr hat am gestrigen Sonntag die sieben Kilometer lange Strecke zum Dorado für Fußgänger, Radler, Inline-Skater und sonstige „Muskelbewegte“ gemacht.

Nürtingen - Seit gut 20 Jahren ist es für viele Ausflügler ein guter Brauch, jeweils an einem Septembersonntag die Parole „Mobil ohne Auto“ beim Wort zu nehmen – und als Austragungsort die dann für den regulären Verkehr gesperrte Route durchs idyllische Tiefenbachtal in Richtung Beuren/Owen zu erwählen. Durch die derzeitige globale Klimadiskussion und die vor allem jugendbetonten Aktivitäten von Fridays for Future hat das vom Nürtinger Stadtjugendring sowie rund 20 örtlichen Vereinen und Organisationen organisierte und bestrittene Freilufthappening diesmal eine besondere Aktualität bekommen.

Es ist ein Tag, der sich zunächst wettermäßig noch nicht so recht entscheiden kann zwischen Trübnis und Sonnenschein. Entschieden sind freilich die ersten Wandersleut, Spaziergänger und Nordic Walker sowie die Inlineskater, E-Biker und E-Scooter, die ganz kleinen Mobilisten begnügen sich mit dem vertrauten Dreirad. An Pferdestärken fehlt es freilich auch nicht auf den Koppeln und Weiden links und rechts der Eingangspforte zum Tiefenbachtal, aber es sind eben nicht solche unter den Motorhauben. Und es schält sich nach und nach ein Himmel im Apfelschimmelblau heraus, der schließlich den Schönwettertag verheißt.

„Treten für die Schöpfung“

Eberhard Haußmann, Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands, hat die Gelegenheit beim Schopf gepackt, und mit einem schwedischen, batterieunterstützten Lastenrad des Nürtinger Diakonieladens die Gärtnerei Hiller angesteuert, dort, wo aufgereihte Bänke von publicityträchtigen Vorgängen künden. Und auch der Kastenaufbau des Lastenvelos zeugt von PR-Geschick. „Treten für die Schöpfung“ ist darauf vermerkt – ganz im Sinne der Klimadiskussion.

Auch der gutbesuchte ökumenische Gottesdienst der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), unterstützt vom Posaunenchor Nürtingen und dem Chor der Neuapostolischen Kirche, griff die Bedrohungslage für unserer natürlichen Ressourcen auf. Man ließ zwei junge Aktivistinnen über ihre Motivation bei Fridays for Future zu Wort kommen, und die evangelische Pfarrerin Bärbel Brückner-Walter plädierte in ihrer Predigt vehement für ein rasches Umdenken in der Klimapolitik.

Schließlich suchte eine Talk-Runde unter Moderation des städtischen Klimaschutzmanagers Thomas Kleiser nach Wegen aus der Ökomisere und der Motorisierungsflut. Kleiser: „Weiter wie bisher wird nicht funktionieren, wir brauchen was Neues!“ Darüber herrschte zwar Einigkeit in der Runde, doch wie das Neue aussieht, darüber gingen die Vorstellungen auseinander. So reiche es nicht, nur den Motor auszutauschen, sondern man müsse weiterdenken, hin zu Verkehrsvermeidung und Wertewandel, sagte Professor Michael Roth von der örtlichen Hochschule. Nürtingens Technischer Beigeordneter Andreas Neureuther verwies dazu auf die Fortschreibung des Verkehrsentwicklungsplans zum Mobilitätskonzept. So habe das Stadtradeln einen gewaltigen Sprung gemacht – und davon gehe eine Botschaft aus. Dem Leiter der Stadtwerke, Volkmar Klaußer, liegt die Verbesserung beim Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) am Herzen; Otmar Braune von der Stiftung „Ökowatt“ und BUND-Mitglied sieht in Sachen Fahrzeuginnovationen gravierende Versäumnisse bei Industrie und Politik, Helmut Hartmann vom Stadtseniorenrat wünschte sich die Einführung von Stadttickets für den ÖPNV. Abschließend kam man überein, auf Vorschlag Kleisers bei einer öffentlichen Veranstaltung Mobilitätsfragen ausführlich zu erörtern.

3000 bis 5000 Besucher im Tiefenbachtal

Michael Medla, der zweite Vorsitzende des Nürtinger Stadtjugendrings, geht davon aus, dass zwischen 3000 und 5000 Besucher auf der Tiefenbachtalstraße unterwegs waren. Zu den Rennern rechnet er das Spieleangebot der Pfadfinder, den Geschicklichkeitsparcours der Inline-Skater aus Großbettlingen und das Bergzeitfahren auf dem drei Kilometer langen Anstieg in Richtung Albtrauf. Unter den 25 Radfahrern brauchte der Sieger fünf Minuten und 41 Sekunden. Und auf großes Interesse stieß auch ein Stand des „Unverpackt-Ladens Glas & Beutel“ aus Nürtingen.