Der Verwaltungsbau von 1964 steht unter Denkmalschutz. Foto: Horst Rudel

Die Sanierung des alten Gesundheitsamts in Nürtingen wird mit rund 1,3 Millionen Euro doppelt so teuer wie gedacht. In dem denkmalgeschützten Gebäude werden die Musik- und die Jugendkunstschule ein neues Domizil finden.

Nürtingen - Wer kein Architekt ist, würde es auf den ersten Blick nicht vermuten: Das ehemalige Gesundheitsamt in Nürtingen ist ein „herausragendes Beispiel für einen Verwaltungsbau der 60er- und 70er-Jahre“. Ein Abriss kommt nicht in Frage. Stattdessen soll das denkmalgeschützte Gebäude, das zuletzt von der benachbarten Ersbergschule für die Ganztagesbetreuung genutzt wurde, nach einer Sanierung künftig als „Haus der Künste“ genutzt werden.

Mängel gibt es beim Brand- und beim Schallschutz

Dass die Kosten für die Modernisierung nach der aktuellen Kostenberechnung des Architekturbüros Weinbrenner/Single/ Arabzadeh mit nun rund 1,3 Millionen Euro gut doppelt so teuer wird als ursprünglich gedacht, hat den Ausschuss des Eigenbetriebs Gebäudewirtschaft Nürtingen (GWN) nicht davon abgehalten, die Umbaupläne einstimmig zu befürworten.

In dem 1964 fertiggestellten Behördenbau sollen die Musik- und die Jugendkunstschule sowie die Stadtkapelle ihr neues Domizil finden. Eigentlich war der Umzug bereits für dieses Frühjahr geplant gewesen. Doch die aufwendigere Sanierung hat den Zeitplan über den Haufen geworfen. Im Argen liegt unter anderem der Brandschutz. So müssen Rettungswege angelegt und eine flächendeckende Brandmeldeanlage installiert werden. Deutliche Mängel haben die Planer zudem beim Schallschutz festgestellt. Um das Gebäude für den Musikunterricht zu nutzen, sind entsprechende Dämmmaßnahmen unverzichtbar. In dem zweigeschossigen Bau sind drei Atelierräume für die Jugendkunstschule geplant. Hinzu kommen ein Theaterraum sowie Unterrichts- und Übungsräume für die Musikschule und die Stadtkapelle. Im Erdgeschoss gibt es einen circa 135 Quadratmeter großen Proben- und Veranstaltungssaal.

Ein adäquater Neubau wäre ungleich kostspieliger

Für die Stadtkapelle, die bisher den Kellerbereich im Nürtinger Feuerwehrmagazin nutzt, wird sich durch den Umzug die räumliche Situation erheblich verbessern. Auch die Musik- und die Jugendkunstschule werden deutlich mehr Platz bekommen. Die Musikschule ist derzeit auf zwei Standorte verteilt. Das Hölderlinhaus soll voraussichtlich in rund einem Jahr als Teil eines neuen Bildungszentrums modernisiert werden. Der zweite Standort in der Frickenhäuser Straße ist als Wohnraum vorgesehen, die Stadtverwaltung denkt dabei unter anderem an die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen.

Begeistert sind die Mitglieder des Ausschusses Gebäudewirtschaft über die Kostenexplosion nicht gewesen. Sie sind aber überzeugt davon, dass die Bildungs- und Kultureinrichtungen langfristig wesentlich profitieren. Ein Hauptargument ist auch, dass ein vergleichbarer Neubau ungleich teurer käme. Wann genau das modernisierte Gesundheitsamt bezugsfertig sein wird, ist noch offen. Die GWN geht aber von einer Fertigstellung im nächsten Jahr aus.

Zwei Architektur-Koryphäen

Max Bächer
Entworfen haben das alte Nürtinger Gesundheitsamt Max Bächerund sein Architektenkollege Harry G. H. Lie. Der vor sieben Jahren gestorbene Max Bächer war in zahlreichen Wettbewerben im In- und Ausland als Preisrichter vertreten. Der Stuttgarter war nicht nur in Fachkreisen bekannt. Immer wieder äußerte er sich auch in der Öffentlichkeit. So hatte er beispielsweise schon früh die Stuttgart-21-Planung kritisch gesehen.

Harry G. H. Lie
Harry G. H. Lie und Max Bächer bildeten von 1965 bis 1980 eine Bürogemeinschaft. Gemeinsam haben sie unter anderem das Krematorium in Leinfelden gebaut, das Stuttgarter Krematorium erweitert und das Lerche-Haus in der Königstraße entworfen.