Geführte Spaziergänge in Nürtingen (Kreis Esslingen) bringen Menschen zusammen. Sie sollen helfen, soziale Isolation zu überwinden. Wie kommt das Angebot an?
In der Nürtinger Kernstadt stehen 40 sogenannte Schwätzbänkle. Diese mit entsprechenden Plaketten versehenen Sitzbänke laden jene, die darauf Platz nehmen, dazu ein, Kontakt zueinander aufzunehmen. Eine Initiative des Nürtinger Bürgertreffs erweitert dieses Angebot nun. Bei geführten Spaziergängen mit einigen Schwätzbänkle als Fixpunkten sollen Menschen neue Verbindungen knüpfen und damit auch Einsamkeit überwinden. 30 mehrheitlich ältere Menschen kamen bei einer ersten Schwätzbänkle-Tour in der vergangenen Woche miteinander ins Gespräch und lernten sich kennen.
Hilde Birkmaier hat sich als Mitglied des Nürtinger Seniorenrats mit dem Thema Einsamkeit, nicht zuletzt auch bei älteren Menschen, beschäftigt. Einsamkeit könne allerdings jeden treffen, unabhängig vom Alter und nicht nur beim Eintritt in die Rente. Auch jüngere Menschen seien vom Wegbrechen sozialer Kontakte und damit von Einsamkeit bedroht, etwa nach einer Trennung oder dem Verlust des Arbeitsplatzes, sagte sie zum Auftakt der ersten Schwätzbänkle-Tour in der vergangenen Woche. Soziale Isolation sei für die Seele ebenso schädlich wie für den Körper. „Ein Tag Einsamkeit bedroht die Gesundheit so stark wie 15 Zigaretten pro Tag“, erklärte Birkmaier.
Bürgermeisterin: Wir wollen Raum und Möglichkeiten für Begegnungen schaffen
Die Idee zu diesem Angebot des Nürtinger Bürgertreffs war im vergangenen Mai bei einem Fachtag in Nürtingen für Fachkräfte in Beratungsstellen und sozialen Einrichtungen zum Thema Einsamkeit und gesellschaftliche Teilhabe entstanden. Ziel sei, „Raum und Möglichkeiten für Begegnungen zu schaffen. Wir wollen damit gesellschaftlicher Isolation mit niederschwelligen Angeboten begegnen und Bürgerinnen und Bürger gleich welchen Alters die soziale Teilhabe ermöglichen“, hatte Bürgermeisterin Annette Bürkner das Projekt erläutert.
Bei geführten Spaziergängen unter dem Motto „Bewegung, Gespräche, Begegnungen“ sollten Menschen zusammen kommen, die sich nicht kennen, jedoch gleichermaßen von sozialer Isolation bedroht sind oder sich einsam fühlen. Wie Bürkner sagte, könnten darüber hinaus mit den Tour-Angeboten Menschen zur Bewegung an der frischen Luft und zum gegenseitigen Austausch angeregt werden. „So bleiben Körper und Geist rege.“
30 meist ältere Menschen sind der Einladung zur ersten Tour in Nürtingen gefolgt
30 zumeist ältere Menschen waren nun der Einladung zur ersten Tour gefolgt, gemeinsam mit der Entspannungstherapeutin und Qigong-Lehrerin Hilde Birkmaier entlang des Neckars zu spazieren, sich in entspannter Atmosphäre bei Naturbetrachtungen und leichten körperlichen Übungen kennen zu lernen und ins Gespräch zu kommen.
„Wir machen einige Übungen in Achtsamkeit, denn das ist vielfach in Vergessenheit geraten. Die kleinen Dinge schätzen lernen – das sollte wieder wichtig werden“, sagte Birkmaier und forderte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf, sich darüber auszutauschen. „Geht ein Stück zusammen mit jemandem, den ihr heute zum ersten Mal gesehen habt, sprecht miteinander, setzt euch auf ein Bänkle und genießt den Ausblick.“
Dazu regte sie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an, ihr Augenmerk neben den Schwätzbänkle auch auf weitere Orte in der Stadt zu richten, an denen unkompliziert Kontakte zu andern Menschen zustande kommen könnten. So biete sich etwa der Boule-Platz am viel begangenen Weg entlang des Neckars beim Ruderclub dafür geradezu an – erfrischende Getränke und Gespräche am Kiosk des Clubs inklusive.
Menschen kommen zusammen, die sich sonst nicht treffen würden
Für Birkmaier und auch Silvia Sollner von der Selbsthilfe-Kontaktstelle im Bürgertreff, die den Spaziergang begleitete, war die hohe Anzahl an Interessenten eine Bestätigung, „dass wir mit der Idee richtig liegen. Es ist ein bunt gemischtes Teilnehmerfeld von Leuten, die sich sonst nicht treffen würden, und das Ziel ist nun, dass sich die Sache verselbständigt“, sagte Birkmaier. Dabei hätten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen wichtigen Schritt bereits selbst hinter sich gebracht. „Gegen Einsamkeit muss man selbst etwas tun. Man muss rausgehen, denn die Welt kommt nicht zu dir nach Hause“, erklärte sie.
Hilde Birkmaier sah das Ziel des Spaziergangs erreicht. „Die Leute sind zusammengekommen und haben sich kennengelernt. Sie haben miteinander geredet, gemeinsame Themen gefunden und sie werden sich wieder treffen“, sagte sie. Das Angebot werde daher über den Tag hinaus reichen. „Das bleibt keine Eintagsfliege.“
Menschen zusammenbringen
Schwätzbänkle
Hilde Birkmaier und Ute Altenburger vom Nürtinger Stadtseniorenrat gaben den Impuls, auch in Nürtingen Schwätzbänkle anzubieten, um Menschen aller Generationen zu Gesprächen zusammen zu bringen. Das erste wurde im Jahr 2021 vor dem Stadtmuseum aufgebaut. In Kooperation mit dem Bauhof der Stadt Nürtingen und mit Unterstützung des Nürtinger Unternehmens Nagel wurden bis dato insgesamt 46 Schwätzbänkle in der Kernstadt und den Ortsteilen Nürtingens aufgestellt.
Rundgang
Eine weitere Tour führt am Donnerstag, 4. September, entlang des Neckarufers und befasst sich mit dem Thema Ehrenamt. Die Stadtführerin Heike Neu und Silvia Sollner vom Bürgertreff informieren, wie man sich in Nürtingen ehrenamtlich engagieren kann. Zwei Teilnehmerinnen werden von ihren Erfahrungen damit erzählen. Die Tour startet um 16.15 Uhr am Stadtmuseum. Ab 15.30 Uhr gibt es im Café Regenbogen Kaffee und Kuchen und die Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen. Eine Anmeldung im Bürgertreff unter Telefon 07022/75-369 oder unter buergertreff@nuertingen.de ist erforderlich.