Der Malinois-Rüde Change kann durchaus herzhaft zupacken, wenn er von seinem Hundeführer Michael Köstle (rechts) das Kommando dazu bekommt. In diesem Fall mimt der Polizeihundeführerausbilder Florian Beinlich den Bösewicht. Foto: Horst Rudel

Zu Besuch bei der Hundestaffel: Beim Polizeipräsidium Reutlingen sind rund 30 Hundeführer im Dienst. Sie kommen zum Einsatz, wenn aufgeheizte Situationen tierische Entschlossenheit erfordern oder der besonders gute Riecher der Vierbeiner gefragt ist.

Nürtingen - Wenn es bedrohlich wird, versteht Change keinen Spaß. Dann kann der drei Jahre alte Rüde der Rasse Malinois, auch als belgischer Schäferhund bekannt, durchaus herzhaft zupacken. An diesem Vormittag bekommt das Florian Beinlich zu spüren, der den Bösewicht mimt. Aber keine Sorge, dem Ausbildungsleiter der Polizeihundeführerstaffel des Polizeipräsidiums Reutlingen passiert nichts. Er trägt einen stabilen Armschutz, der Changes ganze Entschlossenheit abbekommt, nachdem ihm sein Hundeführer Michael Köstle das Kommando zum Angriff auf den – in diesem Fall nur scheinbar – gewaltbereiten Mann erteilt hat.

Die Übung spielt sich auf dem Gelände der Polizeihundeführerstaffel im Tiefenbachtal bei Nürtingen ab, von wo 16 Beamte mit ihren Tieren im Schichtdienst zu Einsätzen ausrücken. Neben diesem Hauptsitz gibt es zusätzlich einen Standort in Tübingen mit weiteren 13 Mensch-Hund-Teams. Im Rahmen der nächsten Polizeireform wird sich die Zahl der Polizeihundeführer im Einsatzbereich des Polizeipräsidiums möglicherweise erhöhen, verrät Volker Novak, der stellvertretende Leiter der Polizeihundestaffel. Denn dann müsse vielleicht der Zollernalbkreis mit bedient werden.

Der Angriff eines Polizeihundes wirkt wie ein gewaltiger Faustschlag

Zurzeit sind die Beamten und ihre vierbeinigen Partner für die Landkreise Esslingen, Reutlingen und Tübingen zuständig. Sie werden gerufen, wenn es für ihre zweibeinigen Kollegen brenzlig wird. In unübersichtlichen, tumultartigen Situationen sorgen sie in ihrer Funktion als Schutzhunde für Ruhe, bringen manchen Randalierer zur Räson und den ein oder anderen Flüchtenden zu Fall. Um aggressive Personen in die Schranken zu weisen, reicht oftmals schon allein die Wucht des Hundeangriffs. Denn ein mit einem Beißkorb ausgestatteter Change schafft es durchaus, einen Menschen umzustoßen und ihn auch ohne Einsatz des kräftigen Gebisses auf dem Boden zu halten. Volker Novak hat es schon am eigenen Leib zu spüren bekommen. Bei einer Übung sei ihm vor einigen Jahren ein Polizeihund mit einem Metallbeißkorb voran derart gegen den Brustkorb gesprungen, dass er sich eine Rippe gebrochen habe. „Das wirkt wie ein gewaltiger Faustschlag.“

Einen Einblick in die Hundestaffel gibt’s im Video:

Doch die Polizeihunde haben auch Einsätze, bei denen nicht Aggressivität und Kampfeslust, sondern ihr ausgeprägter Geruchssinn gefragt ist. Denn die meisten Schutzhunde haben zusätzlich eine Spezialausbildung durchlaufen. Dann wird ihr besonderer Riecher beim Erschnüffeln von Rauschgift, Brandmittel, Sprengstoff und Waffen sowie beim Auffinden von Leichen und beim Wittern von Blutspuren benötigt. Schlägt beispielsweise in Wahlkampfzeiten Politprominenz auf, müsse der Veranstaltungsort zuvor von Polizeihunden nach eventuell versteckten Sprengsätzen abgesucht werden, berichtet Novak, dessen schwarze Schäferhündin Tasca auf Drogenfunde spezialisiert ist.

Die Hundeführer sind mit ihren Tieren auch im ganz normalen Streifendienst unterwegs. Sie bilden jeweils Duos, in denen sich jeder auf den anderen bedingungslos verlassen können muss. Das geht weit über ein kollegiales Arbeitsverhältnis hinaus. Deshalb leben die Hunde nach Feierabend in den Familien ihrer Herrchen und Frauchen. Dann gehen sie im heimischen Wohnzimmer gerne auch in den Kuschelmodus über. Sie legen sich auf den Boden und „werfen sich auf den Rücken, um sich von meinen Kindern den Bauch kraulen zu lassen“, sagt Florian Beinlich. Wenn sich allerdings Besuch ankündige oder die Nachbarskinder zum Spielen kämen, werde der Hund zeitweise anderweitig untergebracht.

Die Kontaktsperre werde aus gutem Grund verhängt. „In der Praxis basiert die Ausbildung auf ein Misstrauen gegenüber Personen außerhalb des eigenen Rudels“, erklärt der Polizeihundeführerausbilder Florian Beinlich, weshalb auf Distanz zu Fremden gesetzt werde.

Freilich eignet sich nicht jeder Hund für den Polizeidienst. Die Auswahl gestalte sich nicht einfach. Egal, ob die vorwiegend belgischen und deutschen Schäferhunde als Welpen oder als etwa ein Jahr alte Tiere angekauft werden – sie müssen gesundheitlich und charakterlich den Anforderungen der Ausbildung und der späteren Einsätze gewachsen sein. Beispielsweise sollten sie nicht von vornherein Angst beim Laufen auf glatten Untergründen haben oder zusammenschrecken, wenn ein Lastwagen an ihnen vorbeifährt, sagt Florian Beinlich. „Und sie sollten sich auch gerne ein bisschen streiten“ – eine gute Portion dienstliche Aggressivität ist für einen Schutzhund unerlässlich.

Die Rente für einen Diensthund ist nicht besonders hoch

Die enge Bindung zwischen Hundeführer und Hund endet auch mit dem Rentenalter des Tieres nicht, das bei Schutzhunden mit etwa zehn Jahren eintritt. Dann verbringen die Vierbeiner ihren Lebensabend zu Hause bei ihren ehemaligen Arbeitskollegen. Das Land Baden-Württemberg fördert die Seniorenbetreuung für Diensthunde lediglich mit 35 Euro pro Monat, was bei anfallenden Kosten für Futter oder Tierarztbehandlungen nicht weit reicht. Letztere sind oft notwendig, denn der belastende Dienst bleibt für die Knochen meist nicht ohne Spätfolgen. Es gibt Bundesländer, etwa Hamburg (110 Euro), Thüringen (85 Euro) oder Bayern (75 Euro), in denen die Rente für Polizeihunde wahrlich großzügiger ausfällt.

Für den erst drei Jahre alten Change ist der Ruhestand noch lange kein Thema. Er steht seinem Herrchen Michael Köstle noch viele Jahre treu zur Seite und wird sich noch so manchem Bösewicht mit Mut und Überzeugungskraft entgegen werfen.