Die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe (Mitte) mit ihren Pflichtverteidigern Anja Sturm und Wolfgang Heer. Bislang schweigt die Angeklagte. Foto: dpa

Bislang hat die mutmaßliche NSU-Terroristin in dem Gerichtsverfahren gegen sie beharrlich geschwiegen. In einem Brief an den Vorsitzenden Richter Götzl deutet sie an, vielleicht „etwas aussagen“ zu wollen. Uns liegt das Schriftstück vor.

München - Nach dreieinhalb Seiten handgeschriebenen Briefes und den „freundlichen Grüßen“ schrieb Beate Zschäpe ihre eigentliche Botschaft auf das kleinkarierte Papier: Ihre drei Anwälte hätten angekündigt, sich von ihrer Bestellung als Pflichtverteidiger entbinden zu lassen, falls die angeklagte Rechtsextremistin ihre Strategie ändern wolle und „eine Aussage zu einzelnen Vorwürfen“ mache. Da sich die mutmaßliche Rechtsterroristin „durchaus mit dem Gedanken beschäftigt, etwas auszusagen“, sei eine weitere Zusammenarbeit mit ihren Strafverteidigern Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl unmöglich: „Ich fühle mich geradezu erpresst“, endet das Postskriptum der 40-jährigen.

 

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Die hatte Mitte Juni beantragt, ihre Verteidigerin Sturm von dem Pflichtmandat zu entbinden. Das Vertrauensverhältnis zwischen Zschäpe und der Advokatin sei zerrüttet, hieß es in dem Antrag. Konkret wurde Zschäpe damals nicht. Nun wirft die mutmaßliche NSU-Terroristin ihrer Anwältin vor, „nicht die Wahrheit“ zu sagen.

Um ihre Sicht der Dinge zu untermauern, zitiert Zschäpe aus einem Brief, den ihr offenbar ihre drei Anwälte vor einer Woche geschrieben haben. Darin stellen Heer, Stahl und Sturm klar, dass sie die „grundlegende Frage“ der Verteidigungsstrategie mit der Angeklagten abstimmen würden. Allerdings weisen sie Zschäpe auch zurecht: „Ihr Gebaren, uns konkrete Anweisungen erteilen zu wollen und sich quasi als ‚Vorsitzende der Verteidigung’ zu geben“, widerspreche dem Selbstverständnis der Juristen aber auch dem Wesen der Verteidigung.

Zschäpe fühlt sich von ihren Anwälten schlecht vertreten

Auch das „anmaßende und selbst überschätzende Verhalten“ Zschäpes kritisieren deren Advokaten. Die seien auch nicht in der Lage, ihre Mandantin „optimal zu verteidigen“, weil die Rechtsextremisten ihr „exklusives Wissen“ nur „fragmentarisch“ weitergebe. In ihren Schreiben an das Gericht bestätigen Heer, Stahl und Sturm, dass Zschäpe ihren Brief an sie – „mit Ausnahme kleiner, nicht sinnentstellender Übermittlungsfehler“ – korrekt wiedergegeben habe.

Zschäpe behauptet auch, die Anwälte Heer und Stahl würden während der Verhandlung häufig im Internet surfen oder Botschaften in sozialen Netzwerken posten. Ihrer Verteidigerin Sturm wirft sie vor, der Anwältin gehe es vor allem darum, die Anwaltsgebühren zu kassieren. Zudem habe sie angeblich vertrauliche Informationen ausgeplaudert, als sie einen Zeugen befragte. Die Juristin weist beide Vorwürfe in ihrer Stellungnahme zu dem Zschäpe-Brief zurück.

Anwalt Wolfgang Heer macht in seiner Stellungnahme an das Münchener Oberlandesgericht deutlich, dass „Frau Zschäpe hinsichtlich ihres eigenen prozessualen Verhaltens keinerlei – auch nicht mittelbaren – Einschränkungen“ unterliege. Mit anderen Worten: Wenn die Zschäpe reden will, dann kann sie natürlich reden.

Zschäpe schweigt zum NSU, seit sie sich am 8. November 2011 in Jena der Polizei stellte und festgenommen wurde. Dabei sagte sie einem Polizisten: „Ich habe mich nicht der Polizei gestellt, um nicht auszusagen“. 1998 war Zschäpe mit ihren mutmaßlichen Kumpanen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos abgetaucht. Neun Jahre lang suchten die Sicherheitsbehörden mit Steckbriefen öffentlich nach dem Trio.

Mundlos und Böhnhardt sollen neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft sowie im April 2007 die Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn erschossen haben. Zudem sollen die Rechtsextremisten mindestens zwei Sprengstoffanschläge begangen und 15 Banken und Supermärkte ausgeraubt haben. Ankläger der Bundesanwaltschaft werfen Zschäpe vor, an allen Verbrechen des NSU beteiligt gewesen zu sein. Mundlos und Böhnhardt sollen sich am 4. November 2011 in Eisenach erschossen haben, als nach einem Banküberfall nach ihnen gefahndet wurde.

Fraglich ist, was Zschäpe unter dem Hinweis versteht, „etwas auszusagen“. Die vage Aussage lässt zahlreiche Möglichkeiten zu, was die Angeklagte erzählen könnte. Sie könnte den Richtern schildern, wie nett die Spieleabende im Zwickauer Unterschlupf waren. Sie könnte aber auch präzise berichten, wie der NSU die ihm zur Last gelegten Morde plante und ausführte. Ob jemand das Trio dabei unterstützte. Und wer das war.

Der Vorsitzende Richter am Münchener Oberlandesgericht, Manfred Götzl, forderte alle Beteiligte des Verfahrens auf, sich bis kommenden Donnerstag um 9 Uhr zu Zschäpes Brief und denen ihrer Anwälte zu äußern. Es gilt als unwahrscheinlich, dass der erfahrene Unparteiische die Juristen von der Verteidigung der Neonazistin entbindet: Zum einen sind Zschäpes Vorwürfe zu vage. Und dann müsste das jetzt seit dem 6. Mai 2013 an nunmehr 211 Tagen verhandelte Verfahren neu beginnen. Nur so hätte ein neues Anwaltsteam die Chance, seiner Verteidigungsstrategie zu folgen.