Im ausgebrannten Wrack des Ex-Neonazis Florian H. hat die Polizei einen Schlüssel übersehen. Foto: dpa

Der NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags konnte nicht alle Fragen zum Treiben im Land klären. Doch der Abschlussbericht des Gremiums räumt mit mancher Spekulation auf – und deckt Fehler des Sicherheitsapparat auf.

Stuttgart - Wolfgang Drexler, kann es nicht lassen. Wieder streift er sich einen blauen Plastikhandschuh über. Angeblich, weil der Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses – frisch aus dem Drucker gezogen – gerade erst zusammengeleimt wurde, also noch klebrig ist. Aber der blaue Handschuh ist auch ein hübsches Selbstzitat, und Drexler (SPD) wäre der Letzte, der sich die Chance zu einem klitzekleinen Akt der Selbstinszenierung entgehen ließe. Denn unvergessen ist jenes Bild vom vergangenen März, das den Vorsitzenden des Gremiums zeigt, wie er einen Schlüsselbund in die Höhe hält und den Medien präsentiert – eine im doppelten Sinn Schlüsselszene des Untersuchungsausschusses.

 

Die Fehler der Ermittler: den Schlüssel übersehen

Kurz zuvor hatte die Schwester des im Herbst 2013 am Cannstatter Wasen in seinem Peugeot verbrannten Ex-Neonazis Florian H. den Schlüssel in dem Autowrack gefunden, das die Familie in einer Garage abgestellt hatte. Den Spott trug die Stuttgarter Polizei davon, denn deren Kriminaltechniker war der Schlüssel entgangen – wie auch noch andere Gegenstände, darunter ein Feuerzeug. Was sich als fatal erwies, weil der fehlende Zündschlüssel gegen den von der Polizei – letztlich zu Recht – angenommenen Suizid sprach. Irgendjemand musste das Ding ja weggenommen haben. Weil der junge Mann außerdem behauptet haben soll, er kenne die Mörder der Polizistin Michèle Kiesewetter, blühten sehr schnell Spekulationen auf, Florian H. habe mitnichten selbst seinem Leben ein Ende gesetzt, sondern sei womöglich einem Fememord von Neonazis zum Opfer gefallen. In der Abschlusspressekonferenz des NSU-Ausschusses am Freitag bezeichnete Drexler namens des Ausschusses die Ermittlungen der Stuttgarter Polizei als „grob mangelhaft“.

Zu den zentralen Themen des NSU-Ausschusses gehörte ganz besonders der Heilbronner Polizistenmord. Am 25. April 2007 war auf der direkt am Neckar gelegenen Theresienwiese die Polizistin Michèle Kiesewetter mit einem Kopfschuss getötet worden. Ihr Streifenpartner Martin Arnold überlebte den Anschlag schwer verletzt.

Blamable Fehlspur durch die Wattestäbchen

Die Ermittlungen blieben zunächst erfolglos, zumal verunreinigte Wattestäbchen bei der Sicherung genetischer Spuren die Polizei auf die Fährte einer „unbekannten weiblichen Person“ führten, deren DNA sich aber am Ende als blamable Fehlspur herausstellte. Die DNA stammte von einer Mitarbeiterin der Herstellerfirma der Wattestäbchen. Die Tat blieb rätselhaft, bis die Dienstwaffen der beiden Polizisten am 4. November 2011 im ausgebrannten Wohnmobil von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt entdeckt wurden. Für den Generalbundesanwalt ist seitdem klar: die beiden mutmaßlichen Rechtsterroristen sind die Täter von Heilbronn. Ihnen ging es um einen Anschlag auf Polizisten als Repräsentanten des verhassten Staats, nicht um Kiesewetter und Arnold.

Gestützt wurde diese These zuletzt von Beate Zschäpe vor dem Oberlandesgericht München. Sie sagte aus, Mundlos und Böhnhardt seien auf die Waffen der Polizisten aus gewesen, jedenfalls hätten sie ihr wenige Tage nach der Tat von dem Anschlag berichtet. Im Ergebnis kommt auch der Untersuchungsausschuss zu der Überzeugung, dass es sich bei Mundlos und Böhnhardt um die Täter handelt. Zwar könne nicht völlig ausgeschlossen werden, dass sie sich auf Helfer stützten, aber die Abgeordneten sehen bei keiner der Alternativtheorien zum Geschehen in Heilbronn eine ausreichende Evidenz. So schließt das Gremium aus, dass der Polizistin Kiesewetter Kontakte ins rechtsextreme Milieu ihrer Heimat Thüringen zum Verhängnis wurden.