Der Rechtsterrorist Uwe Mundlos Foto: dpa

Der militärische Nachrichtendienst MAD soll versucht haben, den Rechtsterroristen Uwe Mundlos als Informanten anzuwerben. Das Verteidigungsministerium dementiert.

Berlin - Bei der Aufarbeitung der Neonazi-Mordserie gerät der militärische Nachrichtendienst MAD in Erklärungsnot. Die Geheimdienstler sollen schon in den 1990er Jahren eine Akte über den späteren Rechtsterroristen Uwe Mundlos geführt und versucht haben, ihn als Informanten anzuwerben. Das wurde am Dienstag auf Umwegen im NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag bekannt. Die Akte ist inzwischen vernichtet. Abgeordnete sprechen von einem Skandal.

Das Verteidigungsministerium dementierte dies jedoch. „Der Militärische Abschirmdienst hatte zu keinen Zeitpunkt die Absicht, Mundlos anzuwerben“, versicherte ein Sprecher.

Die Rolle des Bundeswehr-Geheimdienstes im Fall NSU ist bislang unklar. Mundlos hatte in den Jahren 1994 und 1995 seinen Grundwehrdienst in einer Thüringer Kaserne geleistet. Fraglich war bisher jedoch, was der MAD an Informationen über Mundlos gesammelt haben könnte.

Mindestens zehn Morde sollen auf das Konto des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ gehen. Der Bundestagsausschuss befasst sich seit Januar mit der Serie von Verbrechen, bei deren Aufklärung es Fehler und Pannen gab.

Anfrage von Grünen-Politiker Ströbele

Eine Anfrage des Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele an die Bundesregierung brachte nun Brisantes ans Licht. Demnach soll der MAD in den 1990er Jahren eine Akte über Mundlos angelegt haben. Er war während des Wehrdienstes wegen seiner rechten Gesinnung aufgefallen. Der MAD habe ihn damals befragt und Informationen an das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesämter in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen weitergeleitet.

Die MAD-Akte wurde laut Verteidigungsministerium bereits geschreddert. Damit sei die vorgeschriebene Löschfrist eingehalten worden. Die weitergegebenen Unterlagen sind aber noch im Umlauf und liegen den Ausschussmitgliedern inzwischen vor.

Mundlos lehnte Angebot offenbar ab

Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) sagte, das Material lege nahe, dass der MAD Mundlos als V-Mann habe anwerben wollen. Nach dpa-Informationen fragten die Geheimdienstler den damaligen Soldaten, ob er Hinweise aus der rechten Szene liefern könne. Mundlos habe das abgelehnt.

Die Ausschussmitglieder reagierten empört darauf, dass der MAD die Unterlagen nicht von sich aus offengelegt hat. „Ich bin entsetzt“, sagte Edathy. „Das wird Folgen haben müssen.“ Der Unions-Obmann Clemens Binninger (CDU) sagte, der Vorfall habe das Vertrauen der Ausschussmitglieder erschüttert.

SPD-Obfrau Högl: "Echter Skandal"

Die SPD-Obfrau Eva Högl sprach von einem echten Skandal. Die Linke-Obfrau Petra Pau sagte, sie fühle sich vom MAD belogen. Der Geheimdienst habe versichert, dass es keine Unterlagen zu Mundlos gebe. Auch der Grünen-Obmann Wolfgang Wieland beklagte, dass der MAD die Unterlagen bei Anfragen verschwiegen habe. „Unsere Empörung wächst von Stunde zu Stunde, je mehr wir erfahren, was da losgewesen ist.“

Der Grünen-Abgeordnete Ströbele mutmaßte, dass der MAD die Akte zurückgehalten habe, um den Anwerbeversuch zu verbergen. Das würde erklären, warum die Akte nirgendwo aufgetaucht sei, sagte er. „Eine solche Frechheit habe ich noch nicht erlebt.“

MAD-Präsident Ulrich Birkenheier sollte noch am späten Nachmittag im Ausschuss Rede und Antwort stehen. Auch die Befragung eines anderen MAD-Vertreters wurde auf den Nachmittag verschoben.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland forderte von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) Aufklärung über die Rolle des MAD in der NSU-Affäre. „Das ist eine immer größer werdende Staatsaffäre“, sagte der Vorsitzende Kenan Kolat der Nachrichtenagentur dpa. De Maizière müsse auch in den Ausschuss kommen. „Ich habe mehr und mehr das Gefühl, dass immer neue Dinge entdeckt werden“, sagte Kolat. „Es ist der größte Sicherheitsskandal in der Geschichte der Bundesrepublik. Nun muss auch die Kanzlerin eingreifen.“

Die übrigen Zeugenvernehmungen im Untersuchungsausschuss rückten durch die neue Entwicklung in den Hintergrund. Ursprünglich hatte der Mord an einem türkischen Internetcafébesitzer 2006 in Kassel im Mittelpunkt stehen sollen.