In München geht der NSU-Prozess um Beate Zschäpe weiter. Foto: dpa

Die Journalistin Veronika von A. aus Dortmund sollte schildern, was sie in der ersten Aprilwoche 2006 in ihrer Heimatstadt beobachtet haben will. Damals, ist sich von A. heute noch sicher, habe sie Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und einen „Skinhead“ auf dem Grundstück ihrer Nachbarn im Brackeler Hellweg 56 beobachtet.

München - Für den Oberstaatsanwalt hatte die Zeugin noch einen praktischen Tipp. Sollte er einmal ein unförmiges Fenster verhängen müssen, empfahl Veronika von A. dem Ankläger der Bundesanwaltschaft, solle er zur Schere greifen und den Stoff selbst zuschneiden. „Ein Mann kommt selten auf so praktische Ideen“, gab die 63-jährige Joachim Weingarten mit auf den Weg. Die Angeklagte Beate Zschäpe schnappte vor lauter Freude nach Luft. Gelächter im Münchener Gerichtssaal.

In dem sollte die Journalistin aus Dortmund schildern, was sie in der ersten Aprilwoche 2006 in ihrer Heimatstadt beobachtet haben will. Damals, ist sich von A. heute noch sicher, habe sie Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und einen „Skinhead“ auf dem Grundstück ihrer Nachbarn im Brackeler Hellweg 56 beobachtet. An den „Bäumen waren noch keine Blätter“, deshalb habe sie „gute Sicht gehabt“, schildert A. ruhig.

Zumal sie das Fernglas zur Hilfe nahm, das immer in der Nähe des Gaubenfensters ihrer Jugendstilvilla stand. Mit dem Feldstecher habe ihre Mutter schon aus dem Dachgeschoss die „Natur und den Himmel beobachtet“. Und auch sie habe so in die Bäume und „auch schon mal rüber geschaut“ zu den Nachbarn. Wie an jenem frühen Aprilabend, als sie mutmaßlichen Rechtsterroristen des NSU gesehen haben will. Aufgereiht auf dem Rasen hätten das Trio da gestanden. Links der Skin, den sie an seiner Glatze, seinem Stiernacken, dem sehr muskulösen Körper und der Tarnhose erkannte. Daran habe sich das Trio angeschlossen, das für die Bundesanwälte den Nationalsozialistischen Untergrund bildet: „der größere mit Glatze, der etwa kleinere mit so etwas wie einer Glatze und dann Frau Zschäpe“.

Fernglas weggelegt und Fenster geöffnet

Brisant ist die Beobachtung der Dortmunderin deshalb, weil am 4. April 2006 in der Stadt Mehmet Kubasic in den Kopf geschossen wurde. Zwei Tage später wurde in Kassel Halit Yozgat ebenfalls mit der Ceska 83 ermordet, wie schon zuvor auch die anderen sieben Migranten. Stimmt die Beobachtung der Veronika A., wäre erstmals bewiesen, dass Zschäpe unmittelbar vor einem der mutmaßlichen NSU-Morde in der Nähe eines Tatortes war.

Bislang können die Ermittler das nicht beweisen. Beobachterin von A. sei - obwohl sie zahlreiche Tages- und Wochenzeitungen liest - nicht bewusst gewesen, dass sie „die einzige Zeugin in Deutschland ist, die Frau Zschäpe zum Tatzeitpunkt in der Nähe eines Tatortes gesehen hat“.

Irgendwann habe sie das Fernglas weggelegt und das Fenster geöffnet. Einfach um dem Quartett im Nachbargarten „ihr Gesicht zu zeigen“. Denn es sei nicht ihre Art, Menschen unbemerkt aus einer Position „hinter dem Vorhang zu beobachten“. Deshalb habe sie das Fenster geöffnet. Zschäpe und die Beobachterin im Dachfenster hätten sich „in die Augen geschaut“.

Die Angeklagte habe daraufhin „etwas zur Seite gesprochen“ und ihre drei männlichen Begleiter hätten zu ihr hoch geschaut. Danach „haben in vorbildlicher Ordnung kehrt um und sind innerhalb kürzester Zeit über die Kellertreppe verschwunden“.

2006 seien das nur Neonazis für sie gewesen

Warum sie ihre Beobachtungen nicht schon früherer mit der Polizei besprochen habe, will der Vorsitzende Richter Manfred Götzel wissen. 2006 seien das nur Neonazis für sie gewesen, mit denen sie keine Probleme habe bekommen wollen, sagt die Journalistin. Erst als die Ermittler mit Plakaten nach dem Tod von Böhnhardt und Mundlos im November 2011 nach dem NSU fahndete, habe sie die beiden Männer und die Frau auf dem Nachbargrundstück identifizieren können. Gleichzeitig sei aber auch immer mehr über die Pannen der Sicherheitsbehörden bei der Fahndung bekanntgeworden: „Da war ich über die Rolle der Polizei verunsichert“.

Sicher hingegen ist sich Veronika von A., dass Beate Zschäpe an jenem Aprilabend etwa 15 Meter von ihr entfernt im Nachbargarten stand. Die Körperhaltung, ihr direkter Blick, die Form ihres Mundes, das sei die Beschuldigte in Dortmund gewesen, sagt von A.: „Wenn Sie nicht ein perfektes Double haben, Frau Zschäpe, dann waren Sie es.“ Die Angesprochene fixiert die Zeugin.

Die befragt der Verteidiger von Zschäpes Mitbeschuldigtem Ralf Wohlleben hartnäckig. Ob sie Autorin oder Herausgeberin des Buches „Grundwissen für junge Sozialisten“ sei, will Jurist Olaf Klemke wissen. Ja, das sei sie. Und um weiteren Fragen des Advokaten zuvorzukommen: Bis 1989 sei sie auch Mitglied im Bundesvorstand der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) gewesen.

Warum sie mit dem Feldstecher die Gesichter der ihr damals unbekannten Böhnhardts, Mundlos und Zschäpe so genau studiert habe, will Klemke wissen. Sie habe sich von den Dreien bedroht gefühlt, antwortet von A., etwas „Unheimliches“ sei von der Riege ausgegangen. „Nur in meinem Kopf hat das stattge...“ verspricht sich die Beobachterin. Die Verteidiger Wohllebens und Zschäpes lehnen sich zurück und lächeln.