Vor dem Beginn des NSU-Prozesses am Dienstag demonstrierten mehrere Dutzend Menschen und zeigten ihre Solidarität mit den Opfern. Foto: dpa

Die ersten Opfer des Nagelbombenanschlags von Köln haben im NSU-Prozess ausgesagt. Sie erhoben schwere Vorwürfe gegen die Kölner Polizei, die sie zunächst als Verdächtigte betrachtete.

München - Im Münchner NSU-Prozess haben erstmals Opfer des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße ausgesagt - und in eindringlichen Worten von ihren körperlichen und seelischen Leiden berichtet. Zugleich erhoben die beiden Freunde Sandro D. und Melih K. Vorwürfe gegen die Kölner Polizei - weil sie damals trotz ihrer schweren Verletzungen zunächst als Verdächtige betrachtet worden seien. Melih K. bestätigte zudem, dass er schon damals bei einer Befragung den Verdacht geäußert habe, dass die Tat einen rassistischen Hintergrund gehabt haben und ein „Ausländerhasser“ am Werk gewesen sein könnte. „Da braucht man kein Ermittler sein.“

Der mit mindestens 702 Zimmermannsnägeln bestückte Sprengsatz war am 9. Juni 2004 vor einem Friseursalon in der von türkischen Migranten geprägten Straße explodiert. 22 Menschen wurden verletzt. Viele Jahre lang, bis zum Auffliegen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ im Herbst 2011, tappten die Ermittler im Dunkeln. Mittlerweile geht die Anklage davon aus, dass die mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt den Sprengsatz dort deponiert haben. Beate Zschäpe, einzige Überlebende des NSU-Trios, steht als Mittäterin vor Gericht.

Opfer leiden bis heute unter Folgen

Sandro D. und Melih K. befanden sich damals quasi direkt neben dem Fahrrad mit der Bombe, als diese explodierte. Beide kamen mit schwersten Verletzungen ins Krankenhaus. In Notoperationen mussten ihnen mehrere Nägel entfernt werden. Bei Sandro D. steckte einer der zehn Zentimeter langen Nägel im rechten Oberschenkelknochen.

Unter den Folgen der Verletzungen leiden beide bis heute - körperlich und psychisch. Beide befinden sich immer noch in Psychotherapie - wie auch Sükrü A. Der heute 59-Jährige saß damals in dem Friseursalon, als die Bombe explodierte. Er lag mehrere Tage im künstlichen Koma. Kemal G., ebenfalls Gast in dem Friseursalon, berichtete von seiner Todesangst in jenen Minuten. „Ich dachte, ich warte auf den Tod.“

Opfer: Wir wurden wie Verdächtige behandelt

Sandro D. und Melih K. berichteten übereinstimmend, dass ihnen im Krankenhaus anfangs jeglicher Kontakt verwehrt worden sei. Sie seien als Verdächtige angesehen worden. Später hätten sie sogar noch Fingerabdrücke und DNA-Proben bei der Polizei abgeben müssen.

Vor dem Gerichtsgebäude bekundeten am Dienstag mehr als 100 Menschen ihre Solidarität mit den Opfern des „Nationalsozialistischen Untergrunds“. Mitglieder der Initiative „Keupstraße ist überall“ und andere Aktivisten hatten sich dort schon am frühen Morgen aufgebaut, um gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu demonstrieren und auf eine lückenlose Aufklärung der Morde und Anschläge des NSU zu dringen.

Derweil wurde bekannt, dass das Oberlandesgericht den sächsischen Verfassungsschutzchef Gordian Meyer-Plath als Zeuge geladen hat. Bei seiner Vernehmung soll er über seine Arbeit mit dem V-Mann „Piatto“ aussagen, der in den 1990er Jahren auf die rechtsextreme Gruppierung „Blood & Honour“ in Chemnitz angesetzt war. Meyer-Plath arbeitete damals für den Verfassungsschutz in Brandenburg und war „Piattos“ V-Mann-Führer. Das Gericht lud Meyer-Plath auf Antrag der Verteidiger des Mitangeklagten Ralf Wohlleben - und zwar für den 24. Februar.