An diesem Mittwoch beschäftigen sich die Richter des Staatsschutzsenats weiter mit dem Mord an der Polizeimeisterin Michèle Kiesewetter. Lesen Sie den Prozesstag noch einmal in unserem Minutenprotokoll nach.
München - An diesem Mittwoch beschäftigen sich die Richter des Staatsschutzsenats weiter mit dem Mord an der Polizeimeisterin Michèle Kiesewetter und dem Mordversuch an ihrem Kollegen Martin A. am 25. April 2007. Der Mord gilt als der rätselhafteste der ganzen NSU-Serie.
17.45 Uhr: In unserem Video sehen Sie in den ersten beiden Zivilfahrzeugen Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben, die in die JVA Stadelheim gebracht werden. In den folgenden Fahrzeugen sind die beiden Angeklagten Holger G. und Carsten S., die im Zeugenschutzprogramm sind. Gesichert wird der Transport von einer Spezialeinheit der bayerischen Polizei.
17:35 Uhr: Die heutige Sitzung wird beendet. Der BKA-Beamte soll nächste Woche Donnerstag, am 30. Januar, nochmals vernommen werden. Dann soll auch ein weiterer Beamter des LKA Baden-Württemberg vernommen werden.
17:21 Uhr: Journalisten diskutieren auf der Tribüne engagiert die Arbeitsweise des BKA. Dessen Beamter kommt zu dem Schluss, dass die Aussagen der beiden KKK-Polizisten glaubhaft gewesen seien, weil sie durch den Chef des KKK und dem LfV bestätigt wurden. Alle vier waren aber miteinander verbunden: Drei waren Mitglieder des Kapuzenclubs - deren Chef war V-Mann des LfV. "So etwas würde uns jede Pressekammer um die Ohren hauen", ereifert sich ein Reporter aus Thüringen.
17:16 Uhr: Mehrere Opferanwälte kritisieren die Aussage des BKA-Beamten, dass die Einsätze Kiesewetters in so genannten Einsatzlisten nicht erfasst worden seien. In den Ermittlungsakten aber liegen den Prozessbeteiligten zumindest aus dem Jahr 2006 eine Liste vor, in der 56 Einsätze im Detail aufgelistet sind. Der Ermittler sagt, dies sei so aus den aus Baden-Württemberg übermittelten Akten übernommen worden. Anwältin Doris Dierbach wirft vor diesem Hintergrund dem Fahnder vor, ungenau gearbeitet zu haben. Dies beanstandet Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten. Eine hitzige Diskussion unter den Juristen folgt, die Richter Manfred Götzl damit beendet, dass er die Sitzung für zehn Minuten unterbricht.
17:08 Uhr: Der BKA-Beamte sagt auf Nachfrage, dass der Patenonkel Kiesewetters zum Tatzeitpunkt mit einer Polizistin liiert war, die heute mit einem Rechtsextremisten aus Jena verheiratet ist. Zu den Bekannten dieses Neonazis gehörte Mitte der 1990er Jahre auch Uwe Böhnhardt. Die genauen Ermittlungen dazu aber seien vom LKA Baden-Württemberg durchgeführt worden. Er selbst habe damit nicht gearbeit.
16:58 Uhr: Opferanwalt Yavuz Narin befragt den BKA-Beamten, wie er zu dem Schluss gekommen ist, die Aussagen der beiden baden-württembergischen Ku-Klux-Klan-Polizisten als "glaubhaft zu bewerten". Der Ermittler sagt, beide Polizisten hätten unabhängig voneinander in ihren Vernehmungen gesagt, es seien keine weiteren Polizisten im KKK gewesen. Dies habe Klanchef Achim Schmid bestätigt. Zudem habe das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Baden-Württembergs dies auch so festgestellt. Deshalb habe er die Aussagen als glaubwürdig bewertet. Ein Interview Schmids sei ihm unbekannt, in dem sagt, zeitweise habe er überlegt, ob er eine eigene Polizeiabteilung im Klan aufmachen solle.
16:47 Uhr: Insgesamt hat Michèle Kiesewetter drei Mal auf der Theresienwiese ihre Pausen verbracht. Am 2. und 3. April sowie am Tattag am 25. April war Kiesewetter auf dem Heilbronner Festplatz. Dieser wurde fast ausschließlich von Bereitschaftspolizisten für Pausen genutzt, die zur Unterstützung nach Heilbronn abgeordnet worden waren.
16:35 Uhr: Arnolds Rechtsanwalt Walter Martinek will von dem BKA-Polizisten wissen, auf welcher Grundlage er zu der Einschätzung gekommen ist, die Aussage des als Neonazi bekannten Wirtes in Lichtenhain sei glaubhaft. Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten beanstandet die Frage. Sie sei suggestiv. Richter Manfred Götzl lässt die Frage zu. Der BKA-Beamte sagt, es habe keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass Ralf Wohllebens Schwager gelogen habe. Es wird deutlich, dass der Zeuge lediglich die Ermittlungen anderer Kollegen zusammengefasst und dem Gericht dargelegt hat.
16:26 Uhr: Um Zschäpe ist es einsam geworden. Ihre Anwälte Anja Sturm und Wofgang Heer haben die Sitzung verlassen, die Beschuldigte wird jetzt nur noch von ihrem Verteidiger Wolfgang Sturm betreut.
16:17 Uhr: Der Ermittler zeigt zwei zwei Spuren aus dem unmittelbaren Umfeld des mutmaßlichen NSU-Trios in das Umfeld Kiesewetters auf. Beide haben mit dem Ku-Klux-Klan zu tun, in dem auch ein Vorgesetzter der Polizeimeisterin Mitglied war: Zum einen habe der Anführer der Kaputzenmänner, Achim Schmid, Kontakte nach Sachsen unterhalten, die wiederum in das direkte Umfeld von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe unterhielten. Aber, sagt der Beamte, "bei seiner Vernehmung hat Schmid versichert, keinen der Drei zu kennen oder ihnen begegnet zu sein".
Zum anderen sei ein Neonazi Mitglied des Ku-Klux-Klans, dessen Name auf einem Din-A 4-Blatt in einer Garage des Trios in Jena gefunden wurde. Der Genannte aber konnte sich in seiner Vernehmung nicht erklären, warum sein Name auf dieser Liste stand. Er habe gemutmaßt, dass er deshalb aufgelistet worden sei "weil er damals einen Versandhandel für rechtsradikale Demo-Tapes betrieben habe".
15:32 Uhr: Der 30 Jahre alte BKA-Beamte beschreibt die Ermittlungen zum persönlichen Umfeld von Kiesewetter und Arnold. Er schließt aus, dass vor allem Kiesewetter Kontakte oder Probleme in und mit der rechten Szene gehabt habe. Zwar sei man einem Hinweis auf eine Kneipe in Lichtenhain nachgegangen, die dem Schwager des Angeklagten Ralf Wohlleben gehörte. Es hätten sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass Kiesewetter jemals Gast in dieser Wirtschaft gewesen sei. Der Schwager Wohllebens habe "glaubhaft versichert, dass er keinen Kontakt mehr zum Trio hatte, nachdem dieses abgetaucht war". Zuvor habe er eine kurze Beziehung zu Beate Zschäpe gehabt.
15:19 Uhr: Ein Ermittler des BKA sagt zu den Verstrickungen von zwei Polizeibeamten der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) 523 in den Ku-Klux-Klan (KKK) aus. Einer von ihnen war Kiesewetters und Arnolds Vorgesetzter bei dem Einsatz am 25. April 2007 in Heilbronn. Beide Klan-Polizisten hätten in ihren Vernehmungen beim BKA ausgesagt, dass der KKK keine Beziehungen zum NSU gehabt habe.
14:42 Uhr: Der Diplom-Physiker demonstriert, wie schwierig es für den Täter gewesen ist, dem verletzten Martin Arnold die Waffe zu entwenden. Bei den in Baden-Württemberg von der Polizei verwendeten Pistolenholstern muss ein besonderer Schließmechanismus geöffnet werden, um an die Dienstwaffe zu gelangen. Bei Arnold wurde die Lasche, die die Pistole im Holster hält über einen Knopf gezogen. Dazu - hat der Kriminaltechniker in einem Versuch gemessen - war ein Kraftaufwand von mindestens 49 Kilopond notwendig. Ein Kilopond ist die Kraft, die ein Mensch aufwenden muss, um einen ein Kilo schweren Gegenstand vom Boden aufzuheben.
Einfacher habe es der Täter gehabt, wenn er einen Schraubendreher als Hebel genutzt habe, führt der Physiker aus. Die Verhandlung wird bis 15 Uhr unterbrochen.
14:22 Uhr: Ein Diplom-Physiker des LKA Baden-Württemberg wird befragt, der die Spuren untersuchte, die im und rund um den Streifenwagen sichergestellt wurden. Beate Zschäpe folgt der Aussage lächelnd, nascht immer wieder aus einer der drei vor ihr aufgebauten Dropsdosen und trinkt ihr Mineralwasser.
14.10 Uhr: Vom Landeskriminalamt Brandenburg sagt ein Waffensachverständiger aus, der zum Bundeskriminalamt abgeordnet wurde, um die Heilbronner Mordwaffe Radom zu untersuchen. Die Befragung ist schon nach drei Minuten beendet.
13:48 Uhr: Der Hauptkommissar beschreibt seine Ermittlungen zu den Kennzeichen, die von der Streife am Kontrollpunkt Oberstenfeld notiert wurden. Dabei war auch ein Ludwigsburger Kennzeichen aufgefallen, bei dem kein Halter ermittelt werden konnte. "So etwas kann mal bei einer Ringfahndung vorkommen, wenn man zweieinhalb Stunden Kennzeichen notiert", erklärt er den Umstand. Er erwähnt nicht, dass dieses Kennzeichen in den ersten sieben Minuten notiert wurde, nachdem die Streife um 14:32 Uhr den Kontrollpunkt besetzt hatten.
13:37 Uhr: Im Februar werden vor allem Zeugen aus dem Unterstützerumfeld des mutmaßlichen Terrortrios geladen. Zwei Tage nimmt sich das Gericht dabei für einen Neonazi und V-Mann des Verfassungsschutzes, Tino Brandt. Er soll am 12. und 13. Februar aussagen.
Die weiteren Zeugen im Februar:
11. Februar: Enrico T.
18. Februar: Jürgen L.
19. und 20. Februar: Max-Florian B.
26. und 27. Februar: Mandy S.
13:29 Uhr: Minutenlang liest Richter Manfred Götzl die drei Seiten lange Aussagegenehmigung des Hauptkommissars vor. "Was hat Ihre Vorgesetzten dazu bewogen, eine solche Aussagegenehmigung zu verfassen", sagt er unter dem Gelächter seiner Mitrichter, als er fertig ist. Die Genehmigung sei so im Innenministerium verfasst worden, antwortet der Beamte. Das Gelächter im Gerichtssaal wird noch lauter. Der Schutzmann wurde am 7.11. zur SoKo Parkplatz versetzt. Er recherchierte zu dem Wohnmobil, dass am 25. April 2007 gegen 14.35 Uhr an der Kontrollstelle Oberstenfeld - also etwa eine halbe Stunde nach dem Mord - von zwei Polizeihauptkommissaren registriert worden war.
13:24 Uhr: Das Verfahren wird fortgesetzt. Im Zeugenstand jetzt ein Kriminlahauptkommissar des baden-württembergischen Landeskriminalamtes, der zur SoKo Parkplatz gehörte. Er hat deren Ermittlungen nach dem 4. November 2011, dem Auffliegen von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, mit den Recherchen des Bundeskriminalamtes abgestimmt.
Bis 13:10 Uhr ist Mittagspause.
11:58 Uhr: Als nächster Zeuge sagt ein Kriminalhauptmeister der Polizeiinspektion Gotha aus. Er ermittelte am 4. November 2011 in Eisenach. Dort sollen sich nach einem Banküberfall in der Mittagszeit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in einem Wohnmobil selbst getötet haben, als sich Polizisten dem Gefährt nährten. Vorher sollen die beiden mutmaßlichen NSU-Terroristen das Wohnmobil angezündet haben. Dem Kriminalisten wurden die Waffen übergeben, die in dem Wohnmobil gefunden wurden. Unter den zahlreichen Waffen befanden sich auch die beiden Dienstwaffen Kiesewetters und Arnolds. Diese waren den beiden Polizisten bei dem Anschlag gestohlen worden.
11:41 Uhr: Es sagt ein weiterer Zeuge aus, der die beiden Polizisten auf der Theresienwiese fand. Er schildert, dass ein Kombi mit hoher Geschwindigkeit vom Tatort wegfuhr, als der Augenzeuge auf den Streifenwagen zu ging. Das Kennzeichen habe er nicht sehen können, weil die Luft ganz staubig gewesen wäre. Als er die beiden blutüberströmten Polizisten im Polizeiauto sah, sei auch schon die Polizei gekommen.
11:20 Uhr: Martin Arnolds Rechtsanwalt Walter Martinek fragt den Gutachter, ob er auch eine Simulation angefertigt hat, bei der ein linkshändiger Täter auf Arnold schoss. Der Rechtsmediziner ist davon ausgegangen, dass beide Schützen Rechtshänder gewesen sind. Ein linkshändiger Täter hätte bei seinem Schuss auf Martin Arnold in der Schussbahn des Täters gestanden, der auf Michèle Kiesewetter schoss. Uwe Böhnhardt, der mutmaßlich auf Arnold feuerte, war Linkshänder.
10:45 Uhr: Der Tübinger Rechtsmediziner hat auch eine graue Jogginghose untersucht, die im mutmaßlichen Unterschlupf des Nationalsozialistischen Untergrunds in Zwickau gefunden wurde. Die Hose wurde über DNA-Spuren Uwe Mundlos zugeordnet. An der Sporthose wurden auch Blutspuren gefunden, die von Michèle Kiesewetter stammen. Wehner macht deutlich, dass es "ein, zwei Spurentypen gibt, die mit dem wahrscheinlichen Tathergang bedingt kompatibel sind. Das ist allerdings nur vage Angaben." Das heißt: Mundlos könnte die Hose bei dem Anschlag auf die Polizistin getragen haben.
Allerdings würde das den gestrigen Aussagen eines Elektrikers der Deutschen Bahn widersprechen. Der hatte auf dem dem Tatort gegenüberliegenden Neckarufer gegen 13.30 Uhr zwei Radfahrer gesehen. Die beiden seien mit Radlerkleidung bekleidet gewesen. Die gezeigte Jogginghose hingegen ist eine graue Pluderhose. Das Attentat wurde wahrscheinlich gegen 14 Uhr am 25. April 2007 verübt.
10:33 Uhr: Nach allen Berechnungen von Professor Wehner war der Täter, der auf Michéle Kiesewetter schoss, wahrscheinlich etwa 190 cm groß. Der Schuss wurde am wahrscheinlichsten aus einer Entfernung von etwa 75 cm abgeben. Bei Martin Arnold wurde der Schoss nach der Rekonstruktion wahrscheinlich von einem 175 bis 190 cm großen Täter aus einer Entfernung von etwa 30 cm abgegeben. Die Türen des Streifenwagens waren wahrscheinlich während der Tat geöffnet.
10:18 Uhr: Der Sachverständige erläutert, wie er auf Grundlage der ihm vorliegenden Daten Dummys für eine Computersimulation erstellt hat. Mit der wurde der Tathergang rekonstruiert. Professor Wehner ist sich sicher: "Martin Arnold muss sich dem Täter zugewandt haben." Zudem muss der damalige Polizeimeister die rechte Hand hochgehoben haben, um den Schuss im Reflex abzuwehren. Seine Kollegin Michéle Kiesewetter hat nach vorne durch die Windschutzscheibe des Streifenwagens geschaut.
9:58 Uhr: Als erster Zeuge sagt heute der Sachverständige Professor Heinz-Dieter Wehner von der Uni Tübingen aus. Er hat als Rechtsmediziner und Physiker mit Hilfe von Computertomographien der beiden Opfer, der Vermessung des Tatortes und der Obduktion Michéle Kiesewetters versucht, den Tathergang zu rekonstruieren.
9:46 Uhr: Im Verfahren werden heute weitere Zeugen gehört, die die beiden blutüberströmten Polizisten Michele Kiesewetter und Martin Arnold auf der Heilbronner Theresienwiese gefunden haben. Sachverständige sollen Auskunft über den Tatverlauf, die schweren Verletzungen Arnolds und die Tatwaffen geben. Ein Hauptkommissar des Landeskriminalamtes wird über die Arbeit der Sonderkommission (SoKO) Parkplatz geben, die den Mordfall von 2007 bis 2011 untersuchte. Der Beginn des heutigen Verfahrenstages verzögert sich - wie gewohnt.
9:22 Uhr: Für das leibliche Wohl von Besuchern und Journalisten ist im Münchener Oberlandesgericht gut gesorgt. Weil Prozessbeobachter den besonders gesicherten und abgesperrten Bereich des Gerichtes während des Verhandlungstages nicht verlassen dürfen, können sie belegte Brötchen, Salate und Kuchen kaufen. Kaffee und Wasser kommen aus Automaten. Auch heute, wenn das Gericht am 77. Verhandlungstag sich wieder mit dem Heilbronner Polizistenmord beschäftigt.