Hatten Uwe Mundlos und Beate Zschäpe (Archivfotos) Mitwisser bei den Behörden? Foto: dpa

Neue Enthüllungen werfen die Frage auf, wie tief der Staat in die NSU-Affäre verstrickt ist. Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sollen in Firmen eines V-Manns des Verfassungsschutzes gearbeitet haben.

München - Zwei der drei mutmaßlichen NSU-Terroristen sollen während ihrer Zeit im Untergrund in Firmen gearbeitet haben, die von einem V-Mann des Verfassungsschutzes betrieben wurden. Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sollen zeitversetzt in Zwickau bei dem Neonazi Ralf Marschner beschäftigt gewesen sein. Marschner war unter dem Tarnnamen „Primus“ als Informant für das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln (BfV) tätig. Eine Sprecherin des BfV wollte den Vorgang zunächst nicht kommentieren.

Damit stellt sich einmal mehr die Frage nach NSU-Mitwissern im Umfeld der Nachrichtendienste oder beim Verfassungsschutz selbst. Mundlos, Zschäpe und ihr Komplize Uwe Böhnhardt sollen jahrelang unerkannt gemordet haben. Zwischen 2000 und 2007 erschoss der „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) nach Erkenntnissen der Ermittler zehn Menschen, neun davon ausländischer Herkunft. Mit Sprengstoffanschlägen sollen sie zudem Dutzende Menschen verletzt haben.

„Welt“-Autorenteam berichtet von Tarnidentität

Zunächst hatte ein „Welt“-Autorenteam um Stefan Aust in der am Mittwochabend ausgestrahlten ARD-Dokumentation „Der NSU-Komplex“ berichtet, Mundlos sei unter einer Tarnidentität in den Jahren 2000 bis 2002 als Vorarbeiter eines Bauunternehmens im sächsischen Zwickau eingesetzt gewesen. Inhaber der Firma war Marschner. BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen sagte dazu der „Welt“: „Nach unserer Erkenntnislage und nach den Auskünften der damals dafür zuständigen Mitarbeiter haben wir keine Anhaltspunkte dafür, dass es so war.“ Die Journalisten berufen sich auf Dokumente und Zeugenaussagen.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hat Zschäpe einige Jahre später in einer anderen Firma des V-Manns Marschner gearbeitet. Ein früherer Partner Marschners bestätigte am Donnerstag auf Anfrage, er habe dessen Geschäft finanziert. Es habe sich um einen Szeneladen mit dem Namen „Heaven and Hell“ gehandelt. Das Geschäft habe nach seiner Erinnerung in der Zeit zwischen 2008 und 2011 existiert. Er habe alle Mitarbeiter gekannt, die dort gearbeitet hätten. Auf die Frage, ob auch Zschäpe dabei war, antwortete er zunächst, dazu wolle er am Telefon nichts sagen und fügte dann hinzu: „Ich habe nicht nein gesagt.“

Zschäpe als Aushilfe im Laden des V-Manns

Aus der Vernehmung eines anderen Zwickauer Neonazis im Jahr 2012 geht hervor, dass auch die Behörden von Zschäpes Beschäftigung in dem Geschäft wussten. Ein Beamter des Bundeskriminalamtes konfrontierte den Neonzazi darin mit der Feststellung: „Es liegen Erkenntnisse vor, dass die Beate Zschäpe im Ladengeschäft gearbeitet oder wenigsten (sic) mit ausgeholfen hat“. Das Vernehmungsprotokoll liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Es hatte schon früher Spekulationen gegeben, Zschäpe sei bei Marschner beschäftigt gewesen. Nach Berichten der „Süddeutschen Zeitung“ und der „Freien Presse“ vom Frühjahr 2013 hatte ein Zeuge behauptet, Zschäpe habe als Aushilfe in einem Laden des V-Mannes „Primus“ gearbeitet. Umfassende Ermittlungen hätten diesen Verdacht jedoch nicht erhärten können.

Gemeinsam mit ihren beiden mutmaßlichen Komplizen Mundlos und Böhnhardt lebte Zschäpe von 1998 bis 2011 im Untergrund, zunächst in Chemnitz, später in Zwickau. Die Fahndung nach dem Trio war bis zum Auffliegen im November 2011 nach einem missglückten Banküberfall in Eisenach erfolglos geblieben. Nach dem Tod ihrer Kumpane im November 2011 stellte sich Zschäpe der Polizei. Sie ist seit Mai 2013 die Hauptangeklagte im Münchner NSU-Prozess und muss sich für alle Verbrechen des NSU als mutmaßliche Mittäterin verantworten.

Hat der V-Mann den Verfassungsscgutz informiert?

Das „Welt“-Autorenteam berichtet: „Marschners Firma und damit Mundlos waren zu einer Zeit auf Baustellen im Raum Nürnberg und München aktiv, als dort die ersten von insgesamt zehn Morden des NSU verübt wurden.“ Durch die Firma des Spitzels waren nach den Angaben mehrere Mietfahrzeuge über längere Zeiträume gebucht worden. Einige davon an den Tagen, an denen die NSU-Mitglieder in Nürnberg einen türkischen Änderungsschneider und in München den türkischen Inhaber eines Obst- und Gemüsehandels erschossen haben sollen.

Ob Mundlos oder Böhnhardt die Fahrzeuge tatsächlich für die Begehung der Morde genutzt haben, sei bislang ungeklärt. Unklar ist demnach auch, ob Marschner seinen V-Mann-Führer beim Verfassungsschutz über die Beschäftigung von Mundlos informiert hatte.

Der Spitzel sei offiziell 2002 vom Verfassungsschutz abgeschaltet worden und war seit 2007 im Ausland untergetaucht, bis ihn das Autorenteam nach eigenen Angaben jetzt in Liechtenstein aufspürte.