Das Buch "Das Amt und die Vergangenheit - Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik" beschäftigt sich mit der Geschichte des Auswärtigen Amtes während der NS-Diktatur. Foto: dapd

Eine Kommission legt Dokumente über den Rassenwahn im Auswärtigen Amt vor.

Berlin - Man kann es in die Sprachformen des diplomatisch geschulten Umgangstones kleiden, oder man kann es knallhart ausdrücken. Der Historiker Eckart Conze wählt die zweite Variante. "Das Auswärtige Amt war eine verbrecherische Organisation", sagt er. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach über das Außenamt als "Institution, die sich selbst als Elite verstand und in Wahrheit tief in Verbrechen versank".  Im Ergebnis drücken beide Urteile denselben Sachverhalt aus. Nach fünf Jahren Arbeit hat eine international besetzte Historiker-Kommission ihren Bericht vorgelegt. Er belegt, dass das Auswärtige Amt (AA) maßgeblich an der Ermordung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten mitgewirkt hat. "Es funktionierte als Institution des nationalsozialistischen Regimes vom ersten Tag an und hat die nationalsozialistische Gewaltpolitik zu jeder Zeit mitgetragen", sagte Conze. Anders als über Jahrzehnte verbreitet habe sich das Amt nicht vom NS-Apparat abgegrenzt, sondern diesem auch bei der Judenvernichtung zugearbeitet.

Westerwelle erschüttert

Westerwelle bekannte sich ohne Einschränkung zur Mitschuld des AA. Das Ministerium sei in den Jahren 1933 bis 1945 "aktiver Teil der verbrecherischen Politik des sogenannten Dritten Reiches" gewesen. Westerwelle weiter: "Es beschämt uns, wie das Auswärtige Amt und viele seiner Angehörigen während der Nazi-Herrschaft schwere Schuld auf sich geladen haben." Das AA sei an der systematischen Vernichtung der europäischen Juden mit "administrativer Kälte" beteiligt gewesen. Dort habe man auch "frühzeitig über die verbrecherischen Methoden der deutschen Kriegsführung Bescheid gewusst". Im Auswärtigen Amt habe man damals "Mord als Dienstgeschäft abrechnen können", sagte Westerwelle weiter. Die nun vorgelegten Dokumente zeigten, "wie menschenverachtend damals geplant, organisiert und verwaltet wurde".

Den Bericht der Historiker-Kommission hatte Westerwelles Vor-Vorgänger Joschka Fischer (Grüne) in Auftrag gegeben. Den Anstoß dazu hatte die Praxis des Hauses gegeben, auch NS-belasteten Mitarbeitern bei ihrem Tode durch einen Nachruf in der hausinternen Mitarbeiterzeitung zu gedenken. Fischer zeigte sich vom Ergebnis der Kommission erschüttert. Der Bericht zeigt auch auf, dass im Außenministerium nach 1945 mit erheblichen Aufwand versucht wurde, die Verstrickung in die Nazi-Diktatur zu vertuschen. Fischer ist besonders darüber empört. In einem Interview sagte er, in den 50-er und 60-er-Jahren scheine es sich bei der "zentralen Rechtsschutzstelle" des Hauses um eine "Täterschutzstelle" gehandelt zu haben. Dort seien Listen von in Frankreich, Holland und Belgien gesuchten Kriegsverbrechern angefertigt worden, die in Deutschland lebten. Ziel sei es gewesen, davor zu warnen, dorthin zu fahren, wo Verhaftung und Verurteilungen drohten. Auch das Archiv des Hauses habe eine dubiose Sonderrolle gespielt.

Die Grünen erhoben die Forderung, jetzt auch die Vergangenheit der anderen Bundesministerien untersuchen zu lassen. Gerade Häuser wie das Gesundheits- oder Wirtschaftsministerium stünden dabei "in der Pflicht", sagte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth. Sie schlug vor, Kultur-Staatsminister Bernd Neumann (CDU) mit dem Thema zu beauftragen, da er für "Erinnerungskultur" zuständig sei. Außenminister Westerwelle kündigte derweil an, "wo immer nötig, sachgerecht Konsequenzen" aus der Studie ziehen zu wollen. Das Buch der Historiker-Kommission werde künftig fester Bestandteil der Ausbildung von Diplomaten sein.

Keine Umbenennung

Der Minister verteidigte die seit Februar geltende neue Nachruf-Praxis seines Hauses, die in Einzelfällen Nachrufe auf verstorbene NSDAP-Mitglieder wieder ermögliche. "Nazis werden nicht geehrt", betonte der Minister. Fischer ließ über den Tod früherer Mitarbeiter im Hausblatt "AA intern" nur noch nachrichtlich informieren. Westerwelle sieht es dagegen als "Frage der Pietät", dass man ehemaligen Mitarbeitern des AA, "die ein Berufsleben lang unter of schwierigen Bedingungen für Deutschland gearbeitet haben" und keine nationalsozialistische belastete Vergangenheit haben, "würdigend gedenkt". Die Forderung, den Namen des Hauses, das sich traditionell Auswärtiges Amt und nicht Außenministerium nennt, zu ändern, lehnte der Außenminister ab. Eckart Conze, Leiter der Kommission, sagte, die Arbeit des Gremiums sei nun beendet. Dies setze aber "keinen Schlusspunkt".