Michael von Cranach, Klaus Obert, Stefan Spatz und Robert Domes (v. li.) mit Zeitzeugin Amalia Speidel Foto: Lg/Zweygarth

Sozialamt und Gemeindepsychiatrischer Verbund haben den Opfern des Euthanasieprogramms der Nationalsozialisten gedacht. Von einer Zeitzeugin gab es ein ganz besonderes Lob.

Stuttgart - Während der NS-Herrschaft wurden im Rahmen des sogenannten Euthanasieprogramms mehr als 200 000 behinderte sowie körperlich und psychisch kranke Menschen durch Ärzte, Psychiater und Pflegekräfte ermordet. Unter dem Motto „Gegen das Vergessen – aus und mit der Geschichte lernen“ haben das Sozialamt und der Gemeindepsychiatrische Verbund den Opfern am Donnerstag im Haus der Katholischen Kirche gedacht.

Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand der Film „Nebel im August“, einer preisgekrönten Adaption des gleichnamigen Buchs des Autors Robert Domes. Der Film erzählt die wahre Geschichte von Ernst Lossa, einem 13 Jahre alten Jungen, der aus einer Familie von Jenischen stammte, einer in Europa ansässigen, halb-nomadischen Volksgruppe.

Auf Grundlage eines einseitigen Gutachtens, das dem lebhaften Jungen unterstellt, ein „abartiges Kind“ und ein „asozialer Psychopath“ zu sein, kommt Lossa in die Heil- und Pflegeanstalt Sargau, in der er später mit einer Giftspritze ermordet wird.

Zeitzeugin: Film ist „schönes und trauriges Denkmal“

Neben Buchautor Domes war Amalie Speidel gekommen, die heute 87-jährige Schwester von Ernst Lossa. Der Film sei „das schönste und zugleich traurigste Denkmal“, das man ihrem Bruder setzen könne, so Speidel. Klaus Obert, Caritas-Bereichsleiter und Mitorganisator des Abends, sagte, man dürfe diesen Teil der Geschichte weder vergessen noch ausklammern.

Beim Gedenken gehe es aber nicht darum, mit erhobenem Zeigefinger auf andere zu zeigen, sondern um sachliche Information und einen offenen Diskurs. „Wir müssen uns fragen, welche Analogien es zur heutigen Zeit gibt, aber auch, welche Unterschiede es gibt.“ Studien belegten etwa, dass gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auch heute in Deutschland verbreitet sei, sagte Obert.

Die Ideologie des NS-Regimes habe die Menschen auf Funktionen und Fähigkeiten reduziert, sagte der Leiter des Sozialamts, Stefan Spatz. „Dagegen steht die Anerkennung der Menschen jeglicher Ethnie und sexuellen Orientierung, unabhängig.“