NPD-Verbot: Regierungschef Winfried Kretschmann kann sich eine radikale Lösung vorstellen.

Auch Grün-Rot ist für ein NPD-Verbot. Doch da ist das Problem mit den V-Leuten. Regierungschef Kretschmann kann sich eine radikale Lösung vorstellen. Stuttgart (dpa/lsw) - Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat nach der Neonazi-Mordserie den Einsatz von sogenannten V-Leuten des Verfassungsschutzes infrage gestellt. Im Gegensatz zum Innenminister Reinhold Gall (SPD) und zum Verfassungsschutz kann sich der Grünen-Politiker auch mit Blick auf ein neues NPD-Verbotsverfahren vorstellen, dass die Verbindungsleute in der rechten Szene abgeschaltet werden.

Wie Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sei er der Meinung, dass ein Instrument, das nichts bringt, auch nicht gebraucht werde. „Ich denke in eine ähnliche Richtung“, sagte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart. Dagegen hatte Gall vor kurzem erklärt, V-Leute seien weiter nötig, weil sie wichtige Erkenntnisse aus der rechten Szene lieferten. Auch das Landesamt für Verfassungsschutz betonte die Bedeutung von V-Leuten: „Ihr Einsatz ist unerlässlich. Wir haben sonst keine Alternative, einzudringen“, sagte der Experte für Rechtsextremismus, Frank Dittrich, der Nachrichtenagentur dpa. Der Geheimdienst denkt aber nach dem rechtsextremistischen Terror über strukturelle Konsequenzen nach.

Mit Blick auf die angebliche persönliche Verbindung zwischen der 2007 in Heilbronn ermordeten Polizistin und dem Zwickauer Neonazi-Trio teilte Gall mit: „Unsere Ermittlungsbehörden haben bisher keine gesicherten Erkenntnisse über eine Beziehungstat.“ Im SWR-Fernsehen ergänzte er: „Nach meinem Dafürhalten hat dies sehr viel mit Spekulation, mit Fragezeichen, mit noch nicht geklärten Dingen zu tun.“ Gall reagierte damit auf Äußerungen des BKA-Präsidenten Jörg Ziercke. Dieser soll am Montag im Bundestags-Innenausschuss von einer möglichen Beziehungstat gesprochen haben - in dem Sinne, dass es Bezüge zwischen der aus Thüringen stammenden Polizistin Michèle Kiesewetter und der braunen Terrorzelle aus Zwickau gebe.

Kretschmann kann sich NPD-Verbot grundsätzlich vorstellen

Einem NPD-Verbot steht Kretschmann positiv gegenüber: „Grundsätzlich muss man das wirklich überlegen, das zu machen.“ Allerdings müsse man dafür vorher das Problem mit den V-Leuten lösen. Das Bundesverfassungsgericht hatte ein erstes Verbotsverfahren 2003 gestoppt, weil Verbindungsleute des Verfassungsschutzes in der NPD aktiv waren.

Kretschmann sagte, er könne noch nicht beurteilen, ob es bei der Aufklärung des Mordes an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn Pannen gegeben habe. Der Mord wird ebenfalls dem Neonazi-Trio aus Zwickau angelastet. Möglicherweise hat es sich doch um eine gezielte Tötung gehandelt. Der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, soll am Montag im Bundestags-Innenausschuss gesagt haben, es könne sich um eine Beziehungstat handeln - in dem Sinne, dass es Bezüge zwischen der aus Thüringen stammenden Polizistin und der Zwickauer Zelle gebe.

Dittrich vom Verfassungsschutz hält es für denkbar, dass sich der Geheimdienst künftig stärker mit der Beobachtung von Einzelpersonen befasst: „Wir müssen möglicherweise mehr als bisher die Personen, die wir aus den Organisationen und Strukturen kennen, in die Aufklärung miteinbeziehen.“ Er fügte hinzu: „Was Einzelne im stillen Kämmerlein vorbereitet haben, das ging möglicherweise an uns vorbei.“ Im Zusammenhang mit der Mordserie des Trios aus Thüringen sehe er aber keine Pannen und Versäumnisse beim Landesamt. Die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz im Südwesten funktioniere, sagte Dittrich. „Das, was möglich ist, geben wir weiter. Wir treten mit offenem Visier gegenüber der Polizei auf.“

Dass das Bundesamt für Verfassungsschutz eine stärkere Koordination übernehmen könnte, hält Dittrich für sinnvoll. Dies sei keine Beschneidung der Kompetenzen des Landesamtes. Bei der Beobachtung spezifischer Gruppen in Baden-Württemberg hingegen dürfe sich der Bund nicht einmischen. „Die innere Sicherheit ist vorrangige Arbeit der Länder.“