Altenpfleger demonstrieren am Freitagmorgen in Stuttgart Foto: Leif Piechowski

Altenpflegeheime suchen händeringend Personal. Doch eigentlich fehlen noch viel mehr Leute. Laut einer Erhebung der Gewerkschaft Verdi müsste es in Baden-Württemberg über 20 000 zusätzliche Stellen geben, um eine vernünftige Pflege gewährleisten zu können.

Altenpflegeheime suchen händeringend Personal - und es fehlen noch viel mehr Leute. Laut einer Erhebung der Gewerkschaft Verdi müsste es in Baden-Württemberg über 20 000 zusätzliche Stellen geben, um vernünftige Pflege gewährleisten zu können.

Stuttgart - „Die Leute haben es satt, dass immer nur über die schlechten Arbeitsbedingungen in der Altenpflege geredet wird, ohne dass etwas passiert“, sagt Karl Würz. Der Altenpfleger steht am Freitag gemeinsam mit einigen Dutzend Kollegen auf dem Stuttgarter Schlossplatz und hält Transparente in die Höhe. Sie sind hier, weil der Pflegenotstand ihrer Meinung nach inzwischen bedenkliche Ausmaße angenommen hat. Und das nicht nur, weil die Träger sich schwertun, überhaupt Personal zu finden, sondern auch, weil die vorhandenen Mitarbeiter oft weit über ihre Belastungsgrenzen hinausgehen müssen.

Das sieht auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi so. „Es gibt Häuser, da ist eine Nachtwache ganz allein da und dabei für 50, 60 Patienten zuständig“, sagt Irene Gölz, die Landesfachbereichsleiterin Gesundheitswesen. Verdi wollte es genau wissen und hat in den vergangenen Wochen Betriebsräte, Personalräte und Mitarbeitervertreter in 180 Altenpflegeheimen im Land befragt und die Antworten auf alle 1500 Pflegeheime hochgerechnet.

Das Ergebnis: Selbst nach „vorsichtigen Maßstäben“ fehlen bereits jetzt 20 600 Stellen im Land, um eine anständige stationäre Pflege zu gewährleisten. Damit wäre fast ein Viertel der derzeit vorhandenen 86 000 Arbeitsplätze zusätzlich notwendig. Konkret sehen die Beschäftigten einen Bedarf von 15 300 Stellen in der Pflege und weiteren 5300 in den Bereichen Hauswirtschaft, Küche, Verwaltung und Sozialdienst.

Erschwert wird die Lage dadurch, dass selbst die vorhandenen Arbeitsplätze kaum noch besetzt werden können, weil es an geeigneten Bewerbern fehlt. Für Verdi-Expertin Gölz hängt beides zusammen, denn die enorme Arbeitsbelastung spreche sich herum. Deshalb stünden auch Anwerbeaktionen im Ausland unter keinem guten Stern. „Unter den derzeitigen Bedingungen sind alle Maßnahmen wenig sinnvoll. Da ist jede Organisation, Dienstplangestaltung und Weiterbildung irgendwann am Ende“, sagt Gölz. Man kenne kein einziges Haus im Land, in dem genug Personal vorhanden sei.

Daran sind aber laut Verdi nicht allein die Träger schuld. „Die bemühen sich“, so Gölz. Mehr Leute einzustellen sei aber schwierig. Die Mitarbeiterzahl und Finanzierung orientieren sich an den sogenannten Personalrichtwerten, die im Rahmenvertrag für die stationäre Pflege in Baden-Württemberg geregelt sind. Der wird gerade neu zwischen Trägern und Krankenkassen verhandelt. Verdi fordert deshalb, die Personalrichtwerte zu erhöhen. Wollte man alle 20 600 Stellen schaffen, würde das wohl Kosten in Höhe von über 600 Millionen Euro verursachen.

Um ihrer Kritik Nachdruck zu verleihen, haben Verdi-Vertreter und Beschäftigte am Freitag auf dem Schlossplatz ihre Forderungen an die Mitglieder der Enquetekommission Pflege des Landtags übergeben. Die Kommission überprüft derzeit den Zustand der Pflege in Baden-Württemberg und soll daraus Maßnahmen für eine dauerhaft hochwertige Qualität ableiten. „Da ist tatsächlich Not am Mann“, sagt der Vorsitzende Helmut Walter Rüeck (CDU). Auch Grüne, SPD und FDP versprechen, die Forderungen in ihre Fraktionen zu tragen. „Den Personalmangel in den Heimen kriegen wir nur in den Griff, wenn die Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte deutlich attraktiver werden“, sagt SPD-Sozialexperte Rainer Hinderer. Man werde sich dafür einsetzen.

Derzeit bleiben Fachkräfte nur acht bis zehn Jahre im Altenpflegeberuf. „Daran muss sich endlich etwas ändern“, sagt Pfleger Karl Würz, „in den Einrichtungen herrscht inzwischen geradezu Resignation.“