Was würde bloß Justitia zu diesem Fall sagen? Foto: dpa

Stephan B. hat sich acht Jahre lang durch sämtliche Instanzen geklagt - wegen 7,99 Euro Beihilfe.

Brüssel/Straßburg - Beamte gelten als Menschen mit viel Zeit. Zwar halten Klischees einem rationalen Blick selten stand. Doch Stephan B. hat hart gekämpft, um das Vorurteil zu bestätigen. Der 59-Jährige Brandenburger klagte sich acht Jahre lang durch sämtliche Instanzen - wegen der Erstattung von 7,99 Euro Beihilfe für eine Packung Magnesiumtabletten. Jetzt ist der notorische Nörgler aus Frankfurt an der Oder mit einer Grundrechtsbeschwerde gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gescheitert.

Zuletzt mussten sich sieben Richter des Straßburger Gerichtshofes mit dem Fall des emsigen Staatsdieners beschäftigen. Jetzt trafen die Richter eine bittere Entscheidung für den Brandenburger Landesbeamten: Seinen Kampf um jeden Cent wertet die Kammer als "Missbrauch des Beschwerderechts".

Stephan B. verklagt Deutschland vor dem EuGH

Die Justizposse beginnt im Jahr 2002: Stephan B. hat Beihilfe in Höhe von 7,99 Euro für Magnesiumtabletten beantragt, die ihm sein Arzt als Nahrungsergänzung verschrieben hatte. Die Beihilfestelle weigert sich jedoch und lehnt den Antrag ab. Das lässt B. nicht auf sich sitzen. Nachdem sein Widerspruch zurückgewiesen wird, klagt er vor dem zuständigen Verwaltungsgericht in Frankfurt/Oder. Die Richter lassen sich Zeit. Der Beamte ärgert sich über die langsam mahlenden Mühlen der Justiz. Als die Justizbehörde fast vier Jahre später noch immer nicht über B.s Beschwerde entschieden hat, reißt ihm der Geduldsfaden.

B. beschwert sich wegen Untätigkeit beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Doch auch dieser Antrag bringt nicht die gewünschte Wirkung, und so zieht B. vor die höchste deutsche Rechtsinstanz, schließlich wartet er seit vier Jahren - auf die 7,99 Euro.

Doch auch das Bundesverfassungsgericht will sich nicht mit seinen Beschwerden beschäftigen. Stephan B. gibt nicht auf. Er verklagt Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Acht Jahre Gerichtsstreit um 7,99 Euro

Erstens beschwert er sich wegen der langen Dauer des Verfahrens. Zweitens bringt er vor, als deutscher Bürger habe er kein wirksames Rechtsmittel gegen überlange Prozesse. Seine Beschwerde stützt er auf die Europäische Menschenrechtskonvention.

Nach Ansicht des Gerichts ist sie freilich unzulässig. Stephan B. habe mit seinem Kleinkrieg für vermeintliche Gerechtigkeit das Recht auf Beschwerde missbraucht. Schließlich sei es ihm nicht um eine unentbehrliche Medizin gegangen, sondern um "einen geringen Betrag für ein Nahrungsergänzungsmittel".

"Bagatellen machen einen großen Anteil aus."

Ausdrücklich verweisen die Richter in der Begründung auf die materiellen Verhältnisse des Klägers: Stephan B. verfüge immerhin über ein Beamtengehalt von monatlich mehr als 4500 Euro. Für B. offenbar kein Grund, auf 7,99 Euro zu verzichten. Außerdem schreibt das Gericht dem prozesswütigen Beamten ins Stammbuch, wie es überhaupt zur beanstandeten Überlänge vieler Verfahren kommt: unter anderem, weil Leute wie er selbst den Gerichten sinnlose Arbeit aufbürden.

Fast 60.000 Fälle laufen bei dem Straßburger Gericht mit seinen 640 Mitarbeitern und 47 Richtern jedes Jahr auf. "Die Zahl nimmt ständig zu", sagt Gerichtssprecherin Nina Salomon. "Bagatellen machen einen großen Anteil aus."