Die Notfalldose gibt es seit Ende Juli in Möhringen. Sie ist auf Spendenbasis zu haben. Foto: Jacqueline Fritsch

Seit Ende Juli gibt es die Notfalldosen auch in Stuttgart-Möhringen. Sie sollen Sanitätern beim Einsatz helfen. Davon sind die Retter aber noch nicht ganz überzeugt.

Möhringen - Seit drei Wochen gibt es in Möhringen die sogenannte Notfalldose. Ingrid Schulte, eine der Initiatoren, zieht schon jetzt ein positives Fazit: „In der Bevölkerung ist die Dose gut angekommen“, sagt die Frau vom Stadtseniorenrat. Ein Problem bestehe aber nach wie vor: „Eigentlich müssten die Rettungsdienste auch dahinterstehen und die Dose als Erleichterung sehen“, sagt Schulte. In der Planungsphase seien der Stadtseniorenrat, die Initiative Lebensraum Möhringen (Ilm) und der Diakonieverein bei einigen Rettungsdiensten aber auf wenig Gegenliebe gestoßen. Letztlich sind die drei Vereine ohne die Unterstützung eines Rettungsdiensts mit der Notfalldose an den Start gegangen.

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) äußert sich dazu gegenüber unserer Redaktion wie folgt: „Der Landesverband empfiehlt weder die Einführung der Notfalldose, noch stellt er sich dagegen“, sagt Udo Bangerter, Sprecher des DRK. Wenn das Infoblatt in der Dose „komprimiert, aktuell und anständig ausgefüllt ist, kann es schon hilfreich sein“, sagt er. Aber: „Wir können niemals überprüfen, ob die Angaben aktuell sind.“ Deshalb würden sich die Sanitäter des DRK im Ernstfall lieber auf ihre eigenen Untersuchungen als auf die Angaben in der Notfalldose verlassen.

Im Notfall muss es schnell gehen

Ein weiterer Minuspunkt sei, dass es kein einheitliches Formblatt für Notfalldosen gibt. Das in den Möhringer Dosen unterscheidet sich zum Beispiel von dem in Leinfelden-Echterdingen – und in den Rotkreuzdosen ist noch einmal ein anderes Blatt. Ja, das Deutsche Rote Kreuz bietet auch selbst Notfalldosen an: die sogenannten Rotkreuzdosen. Trotzdem fällt Udo Bangerters Urteil so durchwachsen aus. „Es gibt beim Einsatz einfach Dinge, die schnell passieren müssen“, sagt Bangerter, „den Patienten stabilisieren, in die Klinik bringen und erst danach kann man nach allem Weiteren schauen“.

Hilfreich seien dann vor allem Kontaktdaten zu Angehörigen und Ärzten. „Am besten klebt man noch ein Foto von sich rein, damit unsere Leute wissen, mit wem sie es zu tun haben“, sagt Bangerter. Wichtig ist ihm: „Niemand muss befürchten, dass er schlechter gerettet wird, wenn er keine Dose hat.“

Jede Information über den Patienten ist wichtig

Der Malteser Hilfsdienst sieht die Notfalldosen insgesamt etwas positiver. „Im äußersten Fall kann eine solche Dose sicherlich Leben retten, wenn die Einsatzkräfte rasch auf wichtige Informationen zugreifen können“, sagt Sprecherin Petra Ipp-Zavazal. Insbesondere für Alleinlebende könnte eine Notfalldose sinnvoll sein. Denn so kommen Einsatzkräfte an die nötigen Informationen, auch wenn der Patient zum Beispiel bewusstlos ist. „Jede Information über den Patienten ist wichtig, egal über welchen Weg wir sie bekommen“, sagt Joachim Fässler, Leiter des Malteser Rettungsdiensts Stuttgart. So wäre es genauso hilfreich, eine Liste mit all seinen Medikamenten sichtbar in der Wohnung zu deponieren. Kann der Patient und eventuell anwesende Angehörige keine Angaben machen, welche Medikamente er regelmäßig einnimmt, „verzögert das vielleicht die Versorgung“, meint Fässler.

Bedenken haben die Malteser nur im Hinblick auf die Aktualität der Daten. „Wichtige Änderungen werden nicht automatisch in den Dosen hinterlegt“, sagt Petra Ipp-Zavazal, „deshalb können Einsatzkräfte die Infos nicht immer als aktuell und zuverlässig werten“.

Ein Kleber weist auf die Dose hin

Diesen Kritikpunkt sehen auch die Johanniter. Allerdings überwiegen für Sven Rausch aus dem Regionalverband Stuttgart die Vorteile der Notfalldose. „Ich finde, das ist eine gute Sache“, sagt er, „nur ist der Bekanntheitsgrad noch nicht so, wie wir ihn haben wollen“. Bei einem Einsatz werde zwar selbstverständlich als erstes der Patient versorgt, die Sanitäter suchen dann aber „relativ schnell nach Medikamentenplänen“, sagt Rausch. Alle wichtigen Informationen seien in den Notfalldosen schön zusammengetragen.

Auch wenn die Meinungen über die Notfalldose auseinander gehen, können Patienten davon ausgehen, dass Sanitäter sich die Informationen auf dem Formblatt anschauen. Dafür ist es wichtig, die Rettungskräfte entweder selbst auf die Dose hinzuweisen, oder die Hinweiskleber, die in jeder Dose enthalten sind, an die Innenseite der Wohnungstür und außen am Kühlschrank anzubringen.

Die Notfalldose gehört in den Kühlschrank

Die Notfalldose ist ein kleines Plastikdöschen mit einem Zettel darin. Darauf werden Angaben zu Vorerkrankungen, Medikamenten, Angehörigen und dem Hausarzt festgehalten. Die Dose wird im Kühlschrank deponiert, da Rettungskräfte diesen beim Einsatz öffnen dürfen – im Gegensatz zu Schränken und Schubladen.

Seit Ende Juli gibt es die Notfalldose auch in Möhringen. Sie ist in allen Apotheken, in der Diakoniestation an der Filderbahnstraße und in der Bäckerei Schrade in Sonnenberg erhältlich.