Flüchtlinge an der offenen deutschen Grenze im Jahr 2015: Selbst Kanzlerin Merkel würde gerne die Zeit zurückdrehen Foto: dpa

Die Nostalgie-Studie der Bertelsmann-Stiftung bediene alte Klischees, meint unser Kommentator Rainer Wehaus. Gegner einer unkontrollierten Zuwanderung würden als Ewiggestrige dargestellt.

Stuttgart - Die Gegner einer unkontrollierten Masseneinwanderung werden in Deutschland seit Jahren als rückwärtsgewandte Dumpfbacken in die rechte Ecke gestellt. Zwar haben sich inzwischen viele ihrer Befürchtungen und Bedenken bestätigt, aber das ficht all jene nicht an, die gerne in Schubladen denken und für sich in Anspruch nehmen, Moral und Wahrheit irgendwie gepachtet zu haben. Zu diesen Selbstgerechten zählt auch die Bertelsmann-Stiftung, die mit Umfragen und Erhebungen Politik macht. Am Montag hat sie eine neue Nostalgie-Studie auf den Markt geworfen, bedient damit aber leider nur alte Klischees. Seufz!

Nostalgie ist so alt wie die Menschheit

Laut der Bertelsmann-Studie sehen sich zwei Drittel der befragten Bürger aus fünf europäischen Staaten nach der guten, alten Zeit zurück. Das ist nicht sonderlich überraschend. Schon die alten Griechen waren der Meinung, dass früher alles besser war und die Jugend von heute nichts tauge. Wenig verwunderlich auch, dass die Polen, die eine längere Phase wirtschaftlichen Aufschwungs hinter sich haben, weniger nostalgisch sind als die konstant von Regierungskrisen und Wirtschaftsproblemen geplagten Italiener.

Was hat das mit Zuwanderung zu tun?

In einem gewagten Kunstgriff haben die Autoren der Studie dann auch noch nach den Einstellungen zu Migranten gefragt. Und siehe da: Nostalgiker sehen Migranten kritischer als andere. Womit offenbar suggeriert werden soll dass die Kritiker der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel verunsicherte, ewiggestrige Menschen sind. Komischerweise hat die im Jahr 2015 über Monate hinweg praktizierte Politik der offenen Grenzen aber auch andere nostalgisch werden lassen. Es war Merkel höchstselbst, die im September 2016 im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise sagte: „Wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückspulen.“

rainer.wehaus@stuttgarter-nachrichten.de