Der neuste Song von Normahl ist (k)eine Ode an die Remstalstadt Schwäbisch Gmünd. Foto: cf/Lutz Schellhorn

Die dienstälteste Punkband Deutschlands, Normahl, setzt ihrem Ausschluss aus Schwäbisch Gmünd ein musikalisches Denkmal. Sänger Lars Besa, gerade 60 geworden, ätzt mit „Schwäbisch Gmünd“ gegen Jahrzehnte der Nichtbeachtung,

Berlin, Frankfurt, Stuttgart und sogar Bochum haben längst ihre musikalischen Denkmäler erhalten. Jetzt zieht Schwäbisch Gmünd nach – allerdings anders, als die Stadtväter es sich vielleicht gewünscht hätten. Mit ihrer neuen Single „Schwäbisch Gmünd“ schickt die Punkband Normahl eine Grußkarte an die größte Stadt des Remstals. Keine Ode, kein Loblied auf ein verschlafenes Städtchen – sondern eine krachende Abrechnung mit jahrzehntelanger Ignoranz.

 

Normahl: Punkband erhebt Stimme gegen Ignoranz in Gmünd

Lars Besa, Frontmann der dienstältesten Punkband Deutschlands, bringt es lakonisch auf den Punkt: „Keiner wollte uns dort haben.“ Kein Club, keine Kneipe, keine Bühne. So erzählt es die Band – mit Spott, Sarkasmus und Punkpower, wie man es von Normahl kennt. Und so wie Udo Lindenberg 1983 den „Sonderzug nach Pankow“ in Richtung Kanzleramt schickte, rattert jetzt ein metaphorischer Gitarrenzug durchs Remstal – ironisch, mit Wut, Witz und Widerstand.

Es ist eine Geschichte, wie sie nur das Musikbusiness schreibt – oder besser: nicht schreibt. Während andere Bands mit Herzchen-Einträgen in Fanblogs hofiert werden, flogen Normahl jahrzehntelang unter dem Radar – oder besser: wurden gezielt übersehen.

Dass gerade Schwäbisch Gmünd, sonst stolz auf Kultur, Musik und Tradition, sich dem Punk-Beben verweigerte, hat der Band nun einen neuen Song beschert – eine Revanche, wie sie klarer kaum sein könnte.

Die Band Normahl um den Leutenbacher Lars Besa (Zweiter von rechts) steht (oder sitzt) auch nach 47 Jahren weiter auf der Bühne. Foto: cf/7us media

„Schwäbisch Gmünd“ klingt wie ein Spottlied auf das Vergessensein – und das bewusste Übersehen. In der Tradition von Punk als musikalischem Widerstand, als Antwort auf Verdrängung und Ignoranz. Und damit trifft Normahl mitten ins Herz eines Musikgenres, das sich nie als Streicheleinheit verstanden hat.

Punkrock als Antwort auf jahrelange Ignoranz in Gmünd

„Gmünd war nie unser Ding – doch jetzt sing ich euch ein Lied, auch wenn’s kein Liebeslied ist.“

Diese Zeilen aus dem Songtext fassen zusammen, was sich über Jahre aufgestaut hat: Ablehnung. Überhörtheit. Und der Trotz, daraus kein Verstummen zu machen, sondern einen Song. Statt süßer Melodien gibt’s schrammelige Gitarren, statt Romantik eine bittere Pointe: Normahl haben nie in Schwäbisch Gmünd gespielt – nicht in den 80ern, nicht in den 90ern, nicht heute.

„Es schien, als wären wir inexistent…“, so die Band rückblickend. Die Reaktion: Punkrock, der auf Zurückweisung keine höfliche Antwort gibt, sondern einen donnernden Refrain.

Wie Udo Lindenberg nach Pankow – nur eben durchs Remstal

Udo Lindenberg fuhr einst „mit dem Sonderzug nach Pankow“, weil er im Palast der Republik nicht auftreten durfte. Eine charmante Provokation. Normahl ziehen nun die süddeutsche Variante dieser musikalischen Revanche durch: keine Big Band, keine Zigarette im Mundwinkel – sondern verzerrte Gitarren, rotziger Gesang und eine Wut, die in 47 Jahren Bandgeschichte gut gereift ist.

Der Titel „Schwäbisch Gmünd“ ist mehr als Frustabbau. Er ist kulturelles Statement, musikalischer Mittelfinger – und nicht zuletzt auch ein ironisches Geschenk an jene Stadt, die all die Jahre nicht hinhören wollte.

Lars Besa: Punk, Handwerker, Chronist einer Unterlassung

Dass dieser Song ausgerechnet im Jahr von Lars Besas 60. Geburtstag erscheint, hat Symbolkraft. Der Mann mit der Reibeisenstimme und der Kombizange im Gürtel – tagsüber Chef eines Installationsbetriebs in Leutenbach, nachts Bühnenveteran – zeigt, dass Punk weder an Lebensjahren noch an Konventionen zerbricht.

„Punk ist der einzige Musikstil, der nie in die Krise kam“, sagt Besa. Und er lebt diese Haltung, seit er 1978 mit seinen Schulfreunden aus dem Stuttgarter Karls-Gymnasium auf die Bühne kletterte – laut, ungehobelt, gegen den Strich gebürstet. Damals wie heute.

Normahl: Unbequeme Punklegenden mit treuer Fangemeinde

Normahl bleibt das, was sie immer waren: unbequem. Ihre Songs hießen „Kein Bier vor vier“, „Fraggles“, „Diplomatenjagd“. Sie wurden indiziert, kriminalisiert, verwechselt – etwa mit rechten Bands, gegen die sie eigentlich ansangen. Und doch stehen sie noch immer: auf der Bühne, in den Plattenläden (soweit nicht verboten), in den Ohren einer treuen Fanbasis, die längst aus der Pubertät herausgewachsen ist – aber dem Punk die Treue hält.

Ihr Werk „Friede den Hütten – Krieg den Palästen“ war ein linkes Ausrufezeichen im Pop-Brei der Gegenwart. Mit ihrer neuen Single reihen sie sich nicht in nostalgische Rückblicke ein, sondern setzen ein aktuelles Ausrufezeichen.

Normahl im Steckbrief

  • Bandname: Normahl (Eigenschreibweise: NoRMAhl)
  • Gründung: 1978 in Winnenden
  • Genre: Punk, Polit-Punk, Fun-Punk
  • Bekannte Songs: „Bullenschweine“, „Kein Bier vor vier“, „Fraggles“
  • Bandgründer/Sänger: Lars Besa
  • Besonderheiten: Eine der dienstältesten deutschen Punkbands
  • Comeback: 2002 nach Auflösung 1996
  • Aktivität: Bis heute live aktiv

„Vielleicht hört ihr jetzt mal hin – unser Lied bleibt, auch wenn wir draußen stehn.“

Was bleibt, ist ein Song. Was fehlt, ist der Applaus einer Stadt, die vielleicht zu spät merkt, was ihr entging. Normahl sind da – nicht auf der Bühne, aber im Klangraum der Erinnerung. Sie waren nie in Schwäbisch Gmünd. Doch jetzt, mit diesem Lied, sind sie überall.

Song und Auftritt

Download
Der Song ist ab sofort auf allen gängigen Streaming-Plattformen (spotify, amazon, deezer - youtube) erhältlich.

Live
Die Band ist das nächste Mal live am 3. Mai im Club Omega in Donaueschingen zu sehen, am 16. Mai in der Arena in Wien.

Alle Infos unter www.normahl.de