NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU, rechts) führt das Wort – sein Stellvertreter Joachim Stamp vom kleineren Koalitionspartner FDP lauscht seinen Ausführungen. Foto: dpa

Das seit 100 Tagen amtierende Bündnis von CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen ist noch nicht so richtig in Tritt gekommen. Dennoch hat sich an der insgesamt günstigen Lage wenig geändert – Schwarz-Gelb kann finanziell aus dem Vollen schöpfen.

Düsseldorf - Nachdem CDU und FDPNordrhein-Westfalen noch im Landtagswahlkampf immer wieder als bundesweites Schlusslicht dargestellt haben, will Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) dem Land nun wieder zu mehr Geltung verhelfen. Diese Ankündigung machte er am Mittwoch in Düsseldorf anlässlich der 100-Tage-Bilanz von Schwarz-Gelb. Laschet bezog sich dabei zunächst auf die Jamaika-Sondierungen im Bund, wo er die „speziellen Landesinteressen“ einbringen wolle.

Für Martin Florack, Politikwissenschaftler der Universität Duisburg-Essen, ist das ein logischer Schritt: Die Gestaltungsfelder der Länder seien arg begrenzt, sagte er dieser Zeitung. Laschet wäre daher gut beraten, die Position des CDU-Bundesvize stärker zu akzentuieren und in Berlin eine gewichtigere Rolle zu spielen. Unter der Vorgängerin Hannelore Kraft (SPD) hatte die Führungsfunktion arg gelitten.

Vorerst kein Ende der Staus in Sicht

Auf dem eigenen Feld hat Schwarz-Gelb – außer wenigen Entscheidungen bei wichtigen Symbolthemen wie der Rückkehr zur neunjährigen Gymnasialzeit (G9) als Regelfall – noch nicht viel zustande gebracht. Nach dem Koalitionspoker, der Sommerpause und dem Bundestagswahlkampf geht es jetzt erst richtig los für die Landesregierung. Florack vermutet allerdings, „dass das Land nicht von heute auf morgen umsteuert, um binnen eines Jahres eine wahnsinnige Veränderung herbeizuführen“.

Was kann das Bündnis bei seinen drei Wahlkampfschwerpunkten Wirtschaft, Innere Sicherheit und Bildung tatsächlich anders machen? Der neue Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) zum Beispiel hat schon verkündet, dass zunächst kein Ende der Staus in Sicht sei. „Da hat die alte Regierung über den Bundesverkehrswegeplan auch schon einiges in Gang gesetzt“, sagt Florack. „Völlig Neues ist da nicht zu erwarten.“ Allgemein könne die Opposition darauf hinweisen, „dass CDU und FDP den Mund zu voll genommen haben und jetzt der Reihe nach zurückrudern müssen“.

Idealer Wechselzeitpunkt für Schwarz-Gelb

Dennoch hätte es für Schwarz-Gelb keinen besseren Wechselzeitpunkt geben können. Die große Frage der vergangenen zwei Legislaturperioden, die Haushaltsanierung, ist noch von der alten Regierung abgeräumt worden. Die Steuern sprudeln, und die Schuldenbremse einzuhalten ist kein Problem. „Schwarz-Gelb erntet, was Rot-Grün noch auf den Weg gebracht hat“, sagt der Politologe. Die Regierung könne aus dem Vollen schöpfen und öffentlichkeitswirksame Akzente setzen, „weil sie nicht an anderer Stelle mit dem Dampfhammer durch die Lande ziehen muss, um einzusparen“. Eines der nächsten Symbolthemen dürfte die Elektromobilität sein: Da will Laschet das Land im zügigen Dialog mit allen wichtigen Akteuren zum „bundesweiten Vorreiter“ machen.

In den Ministerien will die Koalition mit vielen neuen Leuten alte sozialdemokratische Netzwerke zerschlagen. Im Kabinett hat Laschet zumindest einen schweren Fehler zu verantworten: Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner (CDU) musste nach viel Kritik an möglichen Interessenkonflikten seine Zuständigkeit für die Medienpolitik an Laschet abgeben, weil er Miteigentümer der mächtigen Funke Mediengruppe ist. Florack nennt die Entscheidung, Holthoff-Pförtner die Zuständigkeit ausgerechnet für Medien zu geben, „sehr blöd“.

SPD leidet an ihrer Oppositionsrolle

Offen ist, wie die FDP agieren wird, wenn ihr Chef Christian Lindner in Berlin ausgelastet ist. Da sind Familienminister Joachim Stamp und der regierungserfahrene Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart schon geräuschlos in die Fußstapfen Lindners getreten. Es sei aber zu früh, um zu erkennen, ob die Koalitionsmechanismen wirklich funktionieren, meint der Politikwissenschaftler Florack.

Die SPD leide derweil sehr unter ihrer Oppositionsrolle. „Sie wirft Schwarz-Gelb vor, zum Teil ihr Wahlprogramm gekapert zu haben und das zu machen, was sie selbst vorgeschlagen hätte – die denken, dass es ihr Erfolg ist, der sich jetzt einstellt.“ Ob die Opposition nun „eine Lücke findet, um gegen die Landesregierung anzustinken – da habe ich meine Zweifel“, fügt Florack an.