Totenschein für den Stuttgarter Nordostring, stattdessen die vierspurige Aufpäppelung der Straße zwischen Backnang und Mundelsheim – die neue Verkehrsvariante des Landes kommt im nördlichen Rems-Murr-Kreis nicht gut an. Leutenbachs Bürgermeister Kiesl spricht von einer „Horrorvorstellung“.
Backnang/Remseck - Für knapp 57 Millionen Euro soll entsprechend der in der vergangenen Woche bekannt gewordenen Pläne des Landes der Autobahnzubringer zwischen der B 14 bei Backnang und der A-81-Anschlussstelle Mundelsheim ausgebaut werden. Aus der derzeitigen Landesstraße 1115 würde die vierspurige B 29. „Es ist die logische Konsequenz aus dem Wegfall des Nordostrings, die L 1115 zur B 29 zu ertüchtigen“, erläutert die Sprecherin des Regierungspräsidiums Stuttgarts, Nadine Hilber, und spricht von einer „Ost-West-Achse zur A 81“.
Diese Vision löst beim Rathauschef von Leutenbach (11.000 Einwohner) „Irritationen und Bauchgrimmen“ aus. Jürgen Kiesl befürchtet „eine Ausweich-Autobahn Mundelsheim-Wendlingen als großräumiger Ersatz für den gescheiterten Nordostring“. Das sei für seine Kommune undenkbar „und bedeutet für die Anwohner in unseren Wohngebieten Nellmersbach und Leutenbach eine Horrorvorstellung“. Kiesl erinnert daran, dass schon der seit zehn Jahren geplante dreispurige Ausbau des Autobahnzubringers künftig den Verkehr auf der B 14 im Bereich Leutenbach um ein Drittel steigen ließe – von 31.220 Fahrzeugen täglich auf dann mehr als 40.000. Bei einem vierspurigen Ausbau würde der Verkehr nochmals „dramatisch in die Höhe schnellen“. Die Bezeichnung B 29 statt L 1115 ist für den Schultes „hanebüchene Augenwischerei: Konsequenterweise müsste diese neue Autobahn A 14 heißen.“ Denn eine vierspurige Trasse wäre die perfekte Alternative zum Stuttgarter Autobahn-Kreuz, gerade für schwere Lastkraftwagen.
Befürchtungen, dass der Ausbau der Straßen rund um Backnang den eigentlichen Nordostring direkt an der Stuttgarter Stadtgrenze ersetzen könnte, gibt es schon viele Jahre. Bereits 2002 verabschiedete der Backnanger Gemeinderat eine Stellungnahme, wonach die ausgebaute B 14 und der ausgebaute Autobahnzubringer „ausdrücklich nicht die Funktion eines Teilstücks der künftigen Nordostumgehung Stuttgart übernehmen darf“. Vielmehr, so hieß es seinerzeit, sei hierfür eine Straße übers Schmidener Feld „zwingend erforderlich“ – ein Statement, was von Fellbach, wo man den Nordostring seit jeher ablehnt, brüsk zurückgewiesen wurde.
„Höchste Zeit, den Nordosten des Landkreises aus dem Verkehrsschatten zu heben“
Backnangs OB Frank Nopper, zugleich CDU-Regionalrat, gibt sich am Dienstag zurückhaltend. „Die Höherstufung der Landesstraße 1115 zur Bundesstraße 29 ist ein Überraschungs-Osterei des Landesverkehrsministers.“ Es sei aber derzeit offen, ob das Ei „süß, bitter oder gar faul ist“. Was sage der Bund dazu? Werde die Straße drei- oder vierspurig? Nopper: „Ich kann Güte und Geschmack des Überraschungs-Ostereis erst in einigen Monaten beurteilen.“ Im Regierungspräsidium plant man den ersten Abschnitt zwischen Großbottwar und Aspach vorerst weiterhin dreispurig.
Es gibt auch Zustimmung für die aktuellen Pläne. Für Rems-Murr-Landrat Johannes Fuchs ist es „höchste Zeit, den Nordosten des Landkreises aus dem Verkehrsschatten zu heben“. Dass das Land den Nordostring aufgegeben habe und dieser somit „jetzt nicht mehr im Maßnahmenpool erscheinen soll“, hält Fuchs „im Hinblick auf die jüngste Diskussion für nachvollziehbar“. Allerdings sollte weiterhin die „Verkehrsoptimierung“ im Verlauf der bestehenden Straßen aktiv betrieben werden.
Remsecks Oberbürgermeister Karl-Heinz Schlumberger zeigte sich eher skeptisch, dass ein Ausbau des Autobahn-zubringers bei Backnang auch eine spürbare Verkehrsentlastung für seine Stadtmitte bringen könnte. „Wir wissen, dass die Autos und Lastwagen auf der Neckarbrücke in erster Linie zwischen dem Wirtschaftsraum Ludwigsburg und dem Bereich Waiblingen/Fellbach unterwegs sind“, betont er. Deshalb hofft Schlumberger, dass auch bei einem vierspurigen Ausbau der Querverbindung zur A 81 in Remseck eine neue Neckarquerung gebaut wird. „Das Thema Andriof-Brücke musste man ja schon nach den Aussagen von Verkehrsminister Hermann vor einem Jahr als erledigt betrachten. Aber ohne einen Ersatz für die jetzige Neckarbrücke können wir unsere Pläne für eine Neue Mitte nicht verwirklichen – und bleiben letztlich ein Sammelsurium kleiner Ortsteile“. Erst vor einer Woche hat das Land übrigens zwei Millionen Euro für die Planung freigegeben. Weiterhin warten muss Remseck aber auf die Ergebnisse einer vom Land in Auftrag gegebenen Verkehrszählung.