Soldaten marschieren zu Ehren des 105. Geburtstags von Staatsgründer Kim Il-sung. Foto: AP

Auf der koreanischen Halbinsel stoßen zahlreiche Interessen aufeinander. Der verbale Schlagabtausch birgt die Gefahr einer militärischen Eskalation. Politik-Redakteur Christian Gottschalk mit einem einordnenden Überblick über die Hauptakteure und deren Befindlichkeiten.

Stuttgart - Vor zehn Tagen hieß es, der US-Flugzeugträger USS Carl Vinson nehme Kurs auf Nordkorea. Nun hat ausgerechnet die US-Navy ein Foto veröffentlicht, welche das Kriegsschiff in der Sundastraße zeigt, einer Meerenge zwischen den indonesischen Inseln Sumatra und Java. Nach Korea sind es von dort aus rund 5300 Kilometer. Ob es sich bei alledem um eine gezielte Desinformation handelt oder um Kommunikationspannen ist ebenso unklar wie die Frage, ob das Weiße Haus oder das Verteidigungsministerium Fehler gemacht hat. Das passt in eine Region, in der die Lage verworren und unübersichtlich ist. Ein Überblick über die Hauptakteure und ihre Interessen.

Nordkorea

Staatsgründer Kim Il-sung, dessen Sohn Kim Jong-il und seit 2011 Enkel Kim Jong-un führen das Land seit rund sieben Jahrzehnten. Die tatsächlichen Machtstrukturen sind diffus, Menschenrechte so gut wie nicht existent. Die Kims streben einen autarken Staat an und investieren intensiv in das Militär. Trotzdem weiß Kim, dass er konventionell einer Militärmacht wie den USA nichts entgegenzusetzen hätte. Pjöngjang ist deshalb davon überzeugt, Atomwaffen als Sicherheitsgarantie zu benötigen. Diese Idee wird seit den fünfziger Jahren verfolgt, nach mehreren Atomwaffentests seit 2006 erklärte sich das Land vor fünf Jahren offiziell zur Atommacht. Die US-Angriffe in Syrien sind für Kim ein weiteres Argument. Die USA haben schon in vielen Ländern auf der Welt interveniert – aber noch nie gegen eine Atommacht. Mit Härte nach innen und Drohungen nach außen haben sich alle Kims an der Macht gehalten. Viele Experten halten es für möglich, dass Kim Jong-un seine Drohungen auch dann umsetzen könnte, wenn dies sein eigenes Ende bedeuten würde.

USA

Seit mehr als 60 Jahren streitet sich Nordkorea mit den Amerikanern, fühlt sich hintergangen und nicht ernst genommen. Die USA sehen sich als pazifische Macht – und sind gerade dabei, in Südkorea ein Raketenabwehrsystem aufzubauen. Die nordkoreanischen Provokationen sind da für Washington eine willkommene Rechtfertigung, den Protesten aus Peking zu begegnen. Der verbale Schlagabtausch mit Nordkorea hat eine gewisse Tradition. US-Präsident George W. Bush verortete Nordkorea vor mehr als 15 Jahren auf der „Achse des Bösen“. Am Mittwoch drohte US-Vizepräsident Pence, die USA würden „jeden Angriff und jeden Einsatz konventioneller oder atomarer Waffen mit einer überwältigenden und effektiven Reaktion“ beantworten. Damit haben sich die USA zumindest verbal auf das Niveau Nordkoreas begeben. Dort droht der Vizeaußenminister mit „totalem Krieg“, sollten die USA militärisch intervenieren. Bisher blieb es beim Wortgefecht. Wie die außenpolitisch unerfahrene US-Regierung in der Praxis reagiert, ist ebenso offen wie die Gegenreaktionen. Die Gefahr eines Missverständnisses mit katastrophalen Folgen ist groß.

China

Einerseits hat China erheblichen Einfluss auf Nordkorea, das Land ist nahezu vollständig von wirtschaftlichen Lieferungen des großen Nachbarn abhängig. China ist zudem das einzige Land mit einem Markt für nordkoreanische Produkte. Andererseits sind den Chinesen aus zwei Gründen die Hände gebunden. Zum einen versucht sich China gerade als Führungsmacht in der Region zu etablieren. Einen Verbündeten fallen zu lassen wäre da keine gute Werbung. Zum anderen geht es um die Rivalität mit den USA. Ein Ende Nordkoreas würde die Möglichkeit schaffen, dass US-Truppen bis an der chinesischen Festlandgrenze stationiert werden. Allein um das zu verhindern, muss Peking das nordkoreanische System stabilisieren. China hat kein Interesse an einem Krieg vor der Haustür. Über die Eigenmächtigkeiten des Diktators von nebenan ist man in Peking alles andere als verzückt. Allerdings verweisen japanische Experten darauf, dass Nordkoreas Raketen nur mit chinesischem Spezialtreibstoff gezündet werden können. So weit, diese Lieferung einzustellen, geht die Unzufriedenheit Pekings mit Kim Jong-un wohl noch nicht.

Südkorea/Japan

Schätzungen zufolge hat Nordkorea bis zu 1000 Raketen, die Südkorea treffen könnten, sowie Raketen mit bis zu 4000 Kilometer Reichweite, die in Japan oder auf dem US-Stützpunkt Guam im Pazifik einschlagen könnten. Die beiden Länder sind eng mit den USA verbunden – und somit potenziell gefährdet. Für die südkoreanische Hauptstadt Seoul gilt das besonders. Sie liegt weniger als 100 Kilometer von der innerkoreanischen Grenze entfernt. Im japanischen Außenministerium sieht man Nordkorea als kurzfristig größte Gefahr in der Region an. Sollten bei einem koreanischen Raketentest einmal Japaner zu Schaden kommen, befürchtet die Regierung in Tokio zudem eine starke Reaktion und großen Druck aus der eigenen Bevölkerung.

Rußland

Die Grenze zwischen Nordkorea und Russland ist nur 19 Kilometer lang, das Interesse Russlands an Nordkorea war lange Jahre über eher bescheiden. In den letzten beiden Jahren hat sich das Verhältnis der beiden Länder spürbar verbessert. Seit Kurzem ist eine Fährverbindung zwischen den Hafenstädten Wladiwostok und Rason im Gespräch, Russland versucht sich gegenüber China in Stellung zu bringen – und erst recht gegenüber Washington. Deutlicher als je zuvor mahnt Moskau von den USA nun Zurückhaltung an.