Auch am Bahnhof im südkoreanischen Seoul werden Neuigkeiten über den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-Un mit Interesse verfolgt. Foto: AP

Nordkoreas Machthaber Kim Jong-Un lässt eine Rakete starten und testet, wie der US-Präsident darauf reagiert. Den Zeitpunkt dürfte er mit Bedacht gewählt haben. Als die Nachricht über den Test die USA erreicht, will Donald Trump gerade mit Japans Premier Shinzo Abe zu Abend essen.

Pjöngjang - Experten hatten den Test erwartet. Das nordkoreanische Militär hat am Sonntag eine Mittelstreckenrakete abgefeuert, die nach 500 Kilometern Flugstrecke ins Meer gefallen ist. „Wir gehen davon aus, dass es sich um eine bewaffnete Provokation handelt, um die Reaktion der neuen US-Regierung unter Präsident Donald Trump auszutesten“, teilte das südkoreanische Verteidigungsministerium in Seoul mit. „Der Start soll ganz offensichtlich die Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft auf Nordkorea lenken.“

In Florida beim Abendessen kalt erwischt

Trump hat derweil einen Politiker aus Ostasien zu Gast, der sich angesichts der nordkoreanischen Drohungen besondere Sorgen mache muss: Japans Regierungschef Shinzo Abe. Die beiden Spitzenpolitiker saßen in Florida beim Abendessen, als Pjöngjang das Geschoss zünden ließ. „Wir stehen zu hundert Prozent hinter Japan“, sagte Trump, nachdem sie die Nachricht von dem Raketentest erreicht hatte. „Die Verteidigung gegen Nordkorea hat eine sehr, sehr hohe Priorität.“ Abe nannte den Akt „inakzeptabel“.

Die Äußerung Trumps zeigt, dass er nicht alle seine Drohungen aus dem Wahlkampf wahr macht. Er hatte seinerzeit öffentlich angekündigt, die Japaner künftig für ihre Verteidigung „zahlen zu lassen“. Das US-Engagement in Ostasien wolle er zurückzufahren. Er hat Kim Jong-Un zudem als akzeptablen Gesprächspartner dargestellt und ein Treffen mit dem Machthaber in Aussicht gestellt. Für Kim wäre das ein lang ersehnter Traum. Tatsächlich gilt er in der Weltgemeinschaft als Außenseiter. Die schonungslose Ausbeutung seines Landes, seine Menschenrechtsverletzungen und seine Grausamkeit gegen Familienmitglieder gehen auch China deutlich zu weit.

Trump will möglicherweise Schaden begrenzen

In Japan hatte die Haltung Trumps Befürchtungen geweckt, die USA könnten ihre Militärgarantien für die Inselkette zurückziehen. Japan hat mit China, Nordkorea und Russland drei unfreundliche Atommächte als Nachbarn. Trump hat sich dann jedoch in den vergangenen Tagen gegenüber den beiden großen Mächten in Asien als verständiger Außenpolitiker gezeigt. In einem Brief und einem Telefonat mit Chinas Regierungschef Xi Jinping hat er sich alle Mühe gegeben, die Beziehungen zu kitten.

Direkt nach seiner Wahl hatte Trump außenpolitisches Porzellan zerschlagen, als er sich China gegenüber pampig zeigte. Er hatte das Prinzip des „einen China“ in Frage gestellt, demnach Peking unabhängig von der Existenz Taiwans ganz China weltweit vertritt. Am Freitag und Samstag hat er nun mit Abe vernünftige Gespräche über Handel und Sicherheitspolitik geführt. Die Kehrtwende kam überraschend, hat in Japan aber Erleichterung ausgelöst. Einen Handelskrieg mit den USA – und eine nukleare Aufrüstung zum Selbstschutz – kann sich Japan weder finanziell noch politisch leisten.

Folgt nun der Test mit einer Langstreckenrakete?

Nordkoreas Machthaber Kim Jong-Un fühlt sich bei so viel transpazifischer Harmonie offenbar ignoriert und will um jeden Preis auf sich aufmerksam machen. Sicherheitsexperten befürchten, dass er außer der Mittelstreckenrakete auch eine Langstreckenrakete testet. Klappt der Test, wäre das ein Fortschritt für sein Programm der atomaren Aufrüstung. Nordkorea hat zwar Atombomben, bisher aber keine Raketen.

Am Sonntag hat Kim offenbar eine Rakete vom Typ Musudan testen lassen. Dabei handelt es sich um eine vergleichsweise ausgereifte Waffe. Im vergangenen Jahr gab es acht Tests von Geschossen dieser Größenklassen. Mit jedem dieser Tests verstößt Nordkorea gegen einen Beschluss der Vereinten Nationen. Der Sicherheitsrat hat dem Land verboten, ballistische Raketen zu entwickeln. „Doch Kim sieht gerade in dem Atomprogramm die Lebensversicherung seines Regimes“, sagt Narushige Michishita, Verteidigungsexperte am National Graduate Institute for Policy Studies (Grips) in Tokio. Mit den Fortschritten des nordkoreanischen Atomprogramms wird die Gefahr für die umliegenden Länder immer realer. Raketen vom Typ Musudan können bis zu 2500 Kilometer weit fliegen. Sie erreichen damit nicht nur Ziele in ganz Japan und wichtigen Teilen Chinas, sondern auch US-Stützpunkte im Pazifik.