Der Aufsichtsrat des Staatskonzerns will am 13. Oktober die neuen Gutachten zu Kosten und eigenen Haftungsrisiken bei Stuttgart 21 beraten. Ein Nachfolger für Infrastrukturvorstand Kefer ist noch nicht gefunden. Aber es wird ein interner Kandidat genannt.
Stuttgart - Am Freitag wird Bahnchef Rüdiger Grube den Grundstein zum geplanten Tiefbahnhoflegen, dem wichtigsten Teil von Stuttgart 21. Doch hinter den Kosten, der Finanzierung und Wirtschaftlichkeit sowie dem Fertigstellungstermin stehen weiterhin viele Fragezeichen. Zudem hat der wichtigste Manager Volker Kefer seinen Rückzug angekündigt.
Die vielen Probleme will der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn in einer außerordentlichen Sitzung beraten. Das Sondertreffen der 20 Kontrolleure des Staatskonzerns wird nach Informationen dieser Zeitung am 13. Oktober stattfinden. Dann sollen neue Gutachten externer Wirtschaftsprüfer und Anwälte vorliegen, die der Aufsichtsrat im Frühjahr zu Kosten, Wirtschaftlichkeit und Bauproblemen sowie zu eigenen Haftungsrisiken bestellt hat.
Verwunderung über die Vorgaben der Architekten
Zudem sollen bei der S-21-Sondersitzung die in Kürze erwarteten Expertisen des Bundesrechnungshofs besprochen werden, der mehr als drei Jahre lang das Projekt durchleuchtet hat, das mehrere Milliarden Euro Steuergeld kostet. Intern gehen dort Experten von bis zu 10 Milliarden Euro Kosten für S 21 aus. Die Bahn musste unlängst eingestehen, dass der offizielle Finanzrahmen von 6,5 Milliarden Euro schon lange vor dem Projektende fast voll beansprucht ist. Kurz danach kündigte der Konzern an, dass der Infrastrukturvorstand Kefer spätestens 2017 den Vorstand und das Unternehmen verlässt.
Bei der vertraulichen DB-Aufsichtsratssitzung in der vorigen Woche gab Kefer nach Informationen dieser Zeitung einen weiteren Sachstandbericht zu S 21 ab. In der ungewöhnlich langen Sitzung sei es vor allem um Baufortschritte, hohe Zusatzkosten und strenge Vorgaben der Architekten gegangen, berichten Teilnehmer.
40 Millionen Euro für Eidechsen-Umsiedlung
So werde allein die Umsiedlung geschützter Eidechsen auf dem S-21-Areal rund 40 Millionen Euro kosten, wurde den erstaunten Kontrolleuren mitgeteilt. Eine weitere Debatte löste der Umstand aus, dass die Betonsäulen im künftigen Tiefbahnhof nicht gestrichen und farblich verschönert werden dürfen, weil das in den Architektenverträgen so vereinbart sei.
Ein Nachfolger für Bahn-Vizechef Kefer ist nach Informationen dieser Zeitung bisher noch nicht gefunden worden. „Da wird weiterhin international ein geeigneter Manager per Headhunter gesucht“, heißt es in Unternehmenskreisen. Vor allem wegen Stuttgart 21 gilt die Aufgabe als heikel. Der Nachfolger müsse technische Expertise haben, aber auch viel Fingerspitzengefühl im Umgang mit der Politik und dem S-21-Interessensgeflecht.
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Bei der internen Suche ist der Konzern bisher offenbar nicht auf Kandidaten gestoßen, die sich ohne Wenn und Aber für die Kefer-Nachfolge anbieten. Zwei Namen sind zu hören. Zum einen Frank Sennhenn, seit gut drei Jahren Chef der DB Netz AG und damit der wichtigen Infrastruktursparte, zu der auch S 21 gehört. Zum anderen Manfred Leger, seit drei Jahren Chef der DB Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm und damit direkt zuständig für S 21 und die ICE-Neubaustrecke.
Der 52-jährige Manager Sennhenn kam um die Jahrtausendwende zur DB und stieg bis 2009 zum Chef der DB Regio auf, der Nahverkehrssparte des Konzerns. Im Mai 2013 übernahm er die Leitung der Infrastruktur von Oliver Kraft, der abgelöst wurde. Sennhenn ist studierter Betriebswirt, die fehlende technische Ausbildung sehen manche im Konzern als Nachteil.
Manfred Leger hat viel Erfahrung im Tunnelbau
Manfred Leger dagegen kennt als gelernter Wirtschaftsingenieur auch die technische Seite der Bahnbranche aus langer Erfahrung. Wie viele DB-Manager und auch Bahnchef Grube kommt der 62-jährige aus dem Daimler-Konzern, war Assistent des dortigen Topmanagers Manfred Bischoff und leitete die Fahrwegsysteme bei Adtranz, der früheren Daimler-Schienenfahrzeugtochter.
Nach dem Verkauf der Sparte an den britischen Baukonzern Belfour Beatty war Leger dort bis 2013 unter anderem für die großen Infrastrukturprojekte wie den Gotthard-Tunnel zuständig und wechselte dann zur Bahn als neuer Leiter der DB Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm.