Russische und syrische Soldaten an einem gemeinsamen Kontrollpunkt in Ost-Ghuta. Die massive Parteinahme Russlands für den syrischen Diktator Baschar al-Assad stößt im Westen auf Kritik. Foto:  

Deutschland und seine engsten Verbündeten haben sich wegen des Syrien-Konflikts noch weiter von Russland entfremdet. Das hätte nicht sein müssen, meint StN-Chefredakteur Christoph Reisinger.

Stuttgart. - Erinnert sich noch jemand daran, wer bis vor wenigen Monaten Deutschlands Feind in Syrien war? Der finstere Diktator Baschar al-Assad? Dafür gibt es keinen Anhaltspunkt. Russland? Gewiss nicht. Schließlich war es nachweislich Russlands militärisches Eingreifen, das die Niederlage der Terroristenbande Islamischer Staat (IS) besiegelt hat.

In Käfigen verbrannt

Nur von ihr ging auf syrischem Boden eine unmittelbare Gefahr für die Nato- und die EU-Länder aus. Zur Erinnerung: Der IS ist jene politische Kraft, die sich in Syrien und im Irak mit brutalsten Methoden ein Gebiet von der Größe Großbritanniens unterwarf. Die Mädchen fing, um sie auf firmeneigenen Sklavenmärkten zu verkaufen. Die mit Wonne Videos von der Enthauptung westlicher Gefangener ins Internet stellte und Menschen bei lebendigem Leib in Käfigen verbrannte.

Recht hat der russische Generalstabschef Waleri Gerassimow, wenn er sagt, Russland habe diesen „Stoßkräften des Terrorismus das Rückgrat gebrochen“. Nebenbei im besten deutschen, im europäischen, im amerikanischen Interesse.

Eine große Chance vertan

Einen besseren Anknüpfungspunkt, die westlich-russischen Beziehungen zu entkrampfen, hat es seit der russischen Landnahme in der Ukraine 2014 nicht mehr gegeben. Er blieb dummerweise ungenutzt. Keiner redet mehr vom furchtbaren gemeinsamen Feind IS und vom russischen Anteil an dessen Niederlage. Stattdessen schießen sich unter dem Beifall der Bundesregierung Frankreich, die USA und das Vereinigte Königreich auf das Assad-Regime und dessen russische Paten ein. Umgekehrt beharkt und provoziert Russland die westlichen Mächte, wo es kann. Hüben wie drüben sind so die falschen Feinde ins Visier geraten. Was für ein sicherheitspolitisches Versagen!

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de