Hollywoodstars wie Anne Hathaway und Denzel Washington sind bei der Nobelpreisfeier zu Gast. Der Platz von Preisträger Liu Xiaobo ist dagegen leer geblieben. Impressionen von der Verleihung zeigt unsere Bildergalerie. Foto: dpa

Bei der Nobelpreisfeier in Oslo bleibt der Stuhl von Preisträgers Liu Xiaobo leer.

Frankfurt/Main - Ein deutlicheres Zeichen hätte China kaum setzen können. Während im Osloer Rathaus Botschafter, königliche Hoheiten und andere Prominente zusammenkamen, um der Verleihung des Friedensnobelpreises beizuwohnen, blieb der Platz des Preisträgers Liu Xiaobo leer.

China hatte dem Dissidenten die Reise in die norwegische Hauptstadt verweigert. Liu verbüßt derzeit eine elfjährige Haftstrafe wegen angeblicher Untergrabung der Staatsgewalt. Auch seine Frau, die Künstlerin Liu Xia durfte nicht nach Oslo kommen, sie steht unter Hausarrest. Die wütende Reaktion der chinesischen Regierung auf die Entscheidung des Nobel-Komitees ließ nicht unbedingt die Hoffnung keimen, dass sich die Situation des 54-Jährigen auf absehbare Zeit bessern würde. Immerhin berichtete seine Frau vor zwei Monaten, dass der Nobelpreis offenbar bessere Haftbedingungen für ihren Mann zur Folge habe. Statt der bescheidenen Massenkost, die gewöhnlichen Gefangenen vorgesetzt wird, erhalte Liu extra für ihn zubereitetes Essen mit Reis, sagte seine Frau.

Liu hat in den vergangenen 21 Jahren wiederholt im Gefängnis gesessen. Das erste Mal verhaftet wurde er im Jahr 1989, als er im Zuge der Studenten-Proteste die Zulassung weiterer Parteien forderte, eine unabhängige Wissenschaftler-Vereinigung organisierte und mit einem Hungerstreik auf seine Anliegen aufmerksam machte. Nach dem Massaker auf dem Tiananmen-Platz mit mehr als 1000 Toten wurde er als Unterstützer der Proteste verhaftet und blieb bis 1991 im Gefängnis.

Ein radikaler Heißsporn

Der im Nordosten Chinas geborene Liu arbeitete nach der Schule zunächst als Anstreicher, bevor er einen Studienplatz für Literatur an der Universität Jilin erhielt und 1982 einen Abschluss erwarb. Sechs Jahre später promovierte er an der Pädagogischen Universität Peking mit einer auf die deutschen Philosophen des 19. Jahrhunderts gründenden Dissertation über Ästhetik und die Freiheit des Menschen. In jenen Jahren hatte er sich bereits einen Namen als Regimekritiker gemacht. Er galt als scharfzüngiger und durchaus radikaler Heißsporn, der andere Reformer als inkonsequent geißelte. 1988 ging er nach der Promotion ins Ausland und forschte an Universitäten in Oslo und Hawaii sowie an der Columbia University in New York. Inhaltlich ging Liu in seiner Systemkritik früh weiter als andere Dissidenten. Er kritisierte die kommunistische wie die traditionell konfuzianischen Werte in China, insbesondere die jahrhundertealte Niederhaltung individueller Kreativität, das Selbstverständnis der Intellektuellen als Diener der Herrschenden und das Fehlen jeglicher Rechtssicherheit. Anstelle teilweiser Lockerungen forderte er eine grundlegende Änderung des politischen Systems.

Emigration kam für den Regimekritiker nicht in Frage

Obwohl nach seiner Haft ab 1991 ein Publikations- und Ausreiseverbot für ihn galt, setzte er sich weiter für Bürgerrechte ein. Er forderte auch, dass die Verantwortlichen für das Tiananmen-Massaker benannt werden müssten. Von Mai 1995 bis Januar 1996 stand er unter Hausarrest. Im Oktober 1996 wurde er erneut verhaftet und kam bis 1999 in ein Umerziehungs- und Arbeitslager. Emigrieren wollte Liu Xiaobo auch danach nicht, sodass er weiter als Schriftsteller in Peking lebte. Im November 2003 wurde er zum Präsidenten des „Independent Chinese Pen Center“ gewählt. 2008 gehörte er zu den maßgeblichen Autoren und 303 Erstunterzeichnern des Demokratie-Manifestes „Charta 08“, die die „Charta 77“ von tschechischen Bürgerrechtlern während der kommunistischen Herrschaft in Prag aufgreift, die vom damaligen Autor und Dissidenten Václav Havel mitverfasst worden war. Das Dokument verstand Liu nicht als destruktive Kampfansage, weshalb es den Radikalen unter den Dissidenten nicht weit genug ging. Im Dezember 2008 erfolgte Lius erneute Inhaftierung, während andere Mitautoren unbehelligt blieben.

Im Dezember vergangenen Jahres wurde Liu nach monatelanger Isolationshaft der Prozess gemacht, er wurde an Weihnachten zu elf Jahren Gefängnis verurteilt. Es war eines der härtesten Urteile gegen chinesische Oppositionelle seit Jahren.