Ivan Locke (Tom Hardy) hat via Fernsprechanlage einige Probleme zu bewältigen Foto: Verleih

Im Echtzeitdrama „No Turning Back“ schaut man Tom Hardy anderthalb Stunden lang beim Telefonieren zu, ohne sich zu langweilen – was vor allem der dramaturgischen Cleverness geschuldet ist.

Filmkritik und Trailer zum Kinofilm "No Turning Back"

Ivan Locke (Tom Hardy) hat auf der nächtlichen Fahrt nach London drei große Baustellen mittels Freisprecheinrichtung zu kitten – und die läuft heiß. Eine davon wortwörtlich: Der Bauingenieur ist verantwortlich für die morgige Errichtung eines 55-stöckigen Gebäudes.

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Weil er nicht vor Ort sein wird, gibt er seinem trinkenden Assistenten die Instruktionen durch. Das zweite Problem: Sein Chef – in der Kontaktliste als „Bastard“ gespeichert – hält wenig von Lockes Abwesenheit und feuert ihn kurzerhand. Die dritte Sorge des verheirateten Mannes und Vaters zweiter Kinder und der Grund dafür, dass er gerade nach London unterwegs ist – bei einer Betriebsfeier hatte er einen Seitensprung – und jetzt steht die Frau unmittelbar vor der Entbindung.

Steven Knights „No Turning Back“ spielt in Echtzeit. Anderthalbstunden lang sitzt Tom Hardy am Steuer und telefoniert. Seiner samtigen, auf Gelassenheit bedachten Stimme zum Trotz, drehen die Gesprächspartner durch: der Chef flucht, die Schwangere schreit, die Ehefrau heult. Einer Figur so viele Schichten in nur einer einzigen Aufnahmeeinstellung zu geben, zählt zu den anspruchsvollen Schauspielaufgaben. Das innerliche Beben Lockes spürt der Zuschauer, weil Hardy sie mit subtiler Mimik zeigt.

Zwischenzeitlich kommt Bewunderung für diesen Autofahrer auf, der besonnen bleibt und geradlinig die Spur hält, während sein Leben einen U-Turn macht. Diese Beharrlichkeit entpuppt sich allerdings auch als leichter Spannungsdämpfer: Kaum mag man glauben, dass hier irgendwann Unvorhergesehenes passieren oder Locke von seinem Plan abweichen könnte.

Regisseur Knight setzt auf die Macht der Fantasie: ohne in Erscheinung zu treten, nur durch ihre Stimme, zeichnen die Figuren ein deutliches Bild ihrer selbst. Passend dazu kämpft Locke mit einem nicht aufgearbeiteten Vaterkomplex: In den Rückspiegel blickend, wirft er seinem Vater Versagen vor. Sein verstorbener Erzeuger sitzt natürlich nicht auf der Rückbank – der Fahrer unterhält sich wahnhaft mit der dort angebrachten Kopfstütze.

Dramaturgische Cleverness verhindert, dass den Zuschauer während des Karrenkammerspiels der Sekundenschlaf ereilt: wie reagiert wer, was bringt das nächste Handyklingeln? Die beiden Hauptverantwortlichen, Knight und Hardy, meistern die Herausforderung, die so ein Streifen mit sich bringt. Im Navigationsgerätsprech: Sie haben ihr Ziel erreicht.

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