Nina Hoss hat sich für ihre Rolle der tschechischen Premierministerin auch von deutschen Politikerinnen inspirieren lassen. Foto: Attila Szvacsek/Prime Video

In der neuen Staffel der Agentenserie „Tom Clancy’s Jack Ryan“ spielt die deutsche Schauspielerin Nina Hoss eine der Hauptrollen. Im Interview spricht sie über die Arbeit an internationalen Sets und darüber, wie sich die Rolle von Frauen in Actionfilmen geändert hat.

In der dritten Staffel der erfolgreichen Actionserie „Tom Clancy’s Jack Ryan“ wird der CIA-Agent nicht nur von seinem eigenen Geheimdienst gejagt, sondern auch von einer internationalen Verbrecherbande, die versucht, die alte Sowjetunion wiederherzustellen. Mittendrin im Ost-West-Konflikt: die tschechische Regierungschefin Alena Kovac, gespielt von Nina Hoss.

Frau Hoss, was hat Sie an der Rolle der tschechischen Präsidentin in der neuen Staffel von „Tom Clancy’s Jack Ryan“ gereizt?

Ich hatte die ersten beiden Staffeln „Jack Ryan“ gesehen und fand es toll, dass man den Charakteren und vor allem auch den jeweiligen Staffelhauptrollen so nahekommt. Es gibt spannende, private Momente und Wendungen, die überraschen. Und genau so ging es mir mit der Rolle der Alena. Da passieren Dinge in ihrem Leben, die man einfach nicht erwartet. Die Art und Weise, wie sie durch die politische Welt navigiert und auch durch ihre private, fand ich unglaublich gut beobachtet und geschrieben. In diesem „Jack Ryan“-Universum hat sie ihre völlig eigene Geschichte. Das war eine Rolle, bei der ich das Gefühl hatte, ich kann wirklich etwas gestalten.

Gab es bei der Vorbereitung konkrete Vorbilder für Sie?

Ein Vorbild war sicherlich Jacinda Ardern, die Premierministerin von Neuseeland. Auch ein bisschen Frau Merkel und auch Politikerinnen wie Annalena Baerbock. Es waren Frauen, denen man anmerkt, dass ihnen Politik wirklich Spaß macht und die genau wissen, was sie gestalten wollen. Sie lassen sich nichts vorschreiben und haben ihren eigenen Kopf. Das finde ich spannend, und so ist Alena eben auch. Gleichzeitig hat sie eine ruhige Art, Entscheidungen zu treffen, auch wenn diese manchmal überraschend und hart sind. Um all das zu verstehen, habe ich mir angeschaut, wie sich Politikerinnen präsentieren.

Hat diese Arbeit Ihren Blick auf Politik im Allgemeinen und Politikerinnen im Besonderen beeinflusst?

Ich habe gesehen, was es bedeutet zu führen beziehungsweise anzuführen. Und was es braucht, um immer wieder abzuwägen. Das ist etwas, was ich auch persönlich immer wieder probiere. Ich versuche das, was mir andere erzählen, immer zu hinterfragen. Natürlich nicht pathologisch, aber so, dass ich mir bewusst mache, dass es immer verschiedene Seiten gibt. Und dass es darauf ankommt, wer einem gerade etwas erzählt. Jeder kommt aus seiner eigenen Erfahrungswelt heraus, und jeder hat seine Interessen.

In der dritten Staffel „Jack Ryan“ spielen nicht nur Sie, sondern auch die amerikanische Schauspielerin Betty Gabriel eine tragende Rolle. Dass Frauen in Actionfilmen und -serien nicht nur Nebenfiguren sind, war lange nicht unbedingt üblich.

Es ist noch immer nicht so, dass es umwerfend häufig der Fall ist. Aber es ist auf jeden Fall etwas in Bewegung geraten. Und bei Betty sieht man, dass man eine nuancierte, machtvolle Frauenfigur in einer hohen Position spielen kann, ohne ein „Love Interest“ zu sein. Das hat sich auf jeden Fall verändert. Normalerweise hätte es immer noch eine Verstrickung gegeben, eine sexuelle Anziehungskraft. Heute schreiben die Autorinnen und Autoren öfter so, dass es das nicht mehr braucht. Das ist gut.

Sie haben in den vergangenen Jahren häufig an internationalen Sets gespielt. Was sind die größten Unterschiede zu deutschen Dreharbeiten?

Die Arbeit an sich ist dieselbe. Was aber ein riesiger Unterschied ist, ist die Größe. Es steckt mehr Geld dahinter, und deshalb ist am Set mehr möglich. Vor allem die Studios sind sehr beeindruckend, da läuft man kurz vom Oval Office rüber zum Kreml (lacht). Und das Tolle an „Jack Ryan“ ist natürlich, dass man an vielen Originalschauplätzen dreht – in Athen, Prag, Malta. Auch wenn ich nicht überall dabei war.

Die Serie beschäftigt sich in jeder Staffel mit einem politisch brisanten Thema. Nach Terrorismus und der Krise in Venezuela war das nun Russland und dessen Großmachtfantasien. Ein Thema, das erschreckend aktuell ist.

Die Dreharbeiten waren im Jahr vor Kriegsbeginn in der Ukraine komplett abgeschlossen. Und trotzdem ist die Serie nah dran an der Realität. Ähnlich ging es mir schon bei der Serie „Homeland“, bei der ich mitgespielt habe. Ich schätze, das liegt daran, dass immer etwas in der Luft liegt. Das macht die Spannung solcher Serien aus, sie spielen ganz nah an der Realität entlang und sind natürlich dennoch vollkommene Fiktion. Aber das ist natürlich entsetzlich, dass in diesem Fall die Realität der Fiktion so nahekommt.

Corona, Klimakrise, Krieg – Sie haben mal gesagt, dass Sie ein zuversichtlicher Mensch sind. Wie schaffen Sie es, in der aktuellen Situation die Hoffnung zu behalten?

Im Großen und Ganzen ist es schwierig, muss ich gestehen. Da weiß ich nicht, ob ich so zuversichtlich bin, wenn ich daran denke, in welche Richtung die Menschheit gerade so spaziert. Auf der anderen Seite darf man uns auch nicht unterschätzen. Ich finde, wir lassen uns im Moment viel Negativität einreden. Als ob man die Situation nicht verändern könnte, weil Menschen eben so sind. Von dieser Idee halte ich aber nicht so viel.

Also sind Sie doch ein zuversichtlicher Mensch?

Insofern bin ich wahrscheinlich doch ein zuversichtlicher Mensch, ja. Weil ich das Gefühl habe, schlussendlich wollen wir alle weder Krieg, noch wollen wir, dass Menschen unfair behandelt werden, noch wollen wir, dass wir in Gesellschaften leben, in denen es ein krasses Oben und ein sehr starkes Unten gibt. Das wollen wir alle eigentlich nicht. Wir lassen uns nur einreden, dass es keinen Ausweg gibt. Wie man jetzt das Ruder umschwenkt, weiß ich auch nicht, aber ich bin zumindest zuversichtlich, dass es diese positive Kraft in Gesellschaften gibt.

2019 war für Sie ein arbeitsreiches Jahr. Sie haben viel gedreht und standen auf Theaterbühnen. Wie sind Sie mit dem plötzlichen coronabedingten Stillstand im Jahr darauf umgegangen?

Ich habe tatsächlich ein ganzes Jahr ausgesetzt. Aber ich habe festgestellt: Das geht auch! Das kann ich doch tatsächlich genießen. Und dadurch, dass ich zuvor viel gearbeitet hatte, gab es auch keine Nervosität. Am Ende hat es mir ganz gutgetan. Es war ungewöhnlich, aber es war ein Moment des Innehaltens, was auch nicht schlecht war. Doch ich war froh, als es wieder losging (lacht). Ich habe schon gemerkt, dass ich nicht weiß, wohin ich sonst mit meiner Energie soll.

War es ein Lernprozess, zwischendurch häufiger Auszeiten zu nehmen?

Zwischendurch schon. Wenn ich weiß, ich komme aus einem Projekt und danach kommt auch wieder etwas, woran ich arbeiten und womit ich umgehen kann. Ich bin einfach zu neugierig! Ich möchte mich in Zusammenhänge setzen, ich möchte über andere Leben nachdenken und dadurch über mein eigenes Leben etwas lernen. Der Beruf und mein Leben sind zu eng verknüpft, und wenn die eine Seite plötzlich wegfällt, dann fehlt mir einfach richtiggehend etwas. Das ist ja aber auch schön, weil man sich bestätigt fühlt: Das, was ich mache, ist genau das Richtige für mich.

Nina Hoss und „Tom Clancy’s Jack Ryan“

Person
Nina Hoss ist 1975 in Stuttgart geboren. Sie studierte an der Ernst-Busch-Schauspielschule in Berlin. Schon während ihres Studiums wurde sie von Produzent und Regisseur Bernd Eichinger für seinen Film „Das Mädchen Rosemarie“ entdeckt. Heute ist sie mit deutschen („Barbara“, „Schwesterlein“) und internationalen Produktionen („Homeland“, „A most wanted Man“) erfolgreich. 15 Jahre lang gehörte sie außerdem zum Ensemble des Deutschen Theaters, anschließend war sie bei der Schaubühne am Lehninger Platz.

Serie
Alle acht Episoden der dritten Staffel „Tom Clancy’s Jack Ryan“ sind bei Amazon Prime Video verfügbar.