Landeswirtschaftsminister Schmid warnt vor voreiligen Wirtschaftssanktionen Foto: dpa

Die Beziehung zwischen Baden-Württemberg und Russland ist milliardenschwer. Im vergangenen Jahr haben die Firmen aus dem Land Waren im Wert von fünf Milliarden Euro nach Russland verkauft. Durch die Krim-Krise ist die Handelsbeziehung in Gefahr.

Herr Schmid, warum sollte die Krim-Krise die Bürger in Baden-Württemberg überhaupt interessieren?
Weil es eine der schwersten Krisen zwischen der westlichen Welt und Russland seit dem Fall der Mauer ist. Die Krim-Krise hat einen Einfluss auf die weltwirtschaftliche Lage und somit auf den Wohlstand der Bürger, auch in Baden-Württemberg. Unsere erfreulichen Wachstumsziele für 2014 werden dadurch in Frage gestellt.
Warum?
Wir haben in den vergangenen Tagen schon gesehen, wie sensibel die Börsen weltweit reagiert haben. Die baden-württembergischen Firmen sind sehr beunruhigt, weil Russland zu einem extrem wichtigen Exportmarkt für Baden-Württemberg geworden ist. Wir haben 2013 Waren in Höhe von knapp fünf Milliarden Euro nach Russland exportiert. Importiert wurden aus Russland Waren im Wert von 1,2 Milliarden Euro. Damit gehört Russland zu unseren zehn wichtigsten Außenhandelspartnern. Daneben haben immer mehr Firmen Standorte in Russland. Es gibt dort etwa 6000 deutsche Unternehmen. Davon sind allein 900 aus Baden-Württemberg.
Aus welchen Branchen?
Unsere Maschinenbauer, Autohersteller und Zulieferer sind in dem Markt stark engagiert. Firmen wie Bosch, Herrenknecht, Voith, Festo, Eberspächer, Porsche, Daimler, ZF Friedrichshafen, Ritter Sport, Würth und Dürr mit Lackieranlagen sind vor Ort aktiv – um nur einige Große zu nennen. Da der Modernisierungsbedarf bei den russischen Produktionsanlagen extrem hoch ist, ist Russland für die Maschinen- und Anlagenbauer ein Parademarkt. Den riesigen Markt der ehemaligen Sowjetunion dürfen wir auf keinen Fall den Chinesen überlassen. Darum dürfen wir unsere wirtschaftlichen Beziehungen jetzt nicht vorschnell mit Sanktionen belasten.
Leichte Sanktionen hält Bundeskanzlerin Angela Merkel aber für unausweichlich.
Ich halte nichts von voreiligen Wirtschaftssanktionen. Ich sehe darin die Gefahr, dass sich die Situation hochschaukelt und jeder den anderen mit immer neuen Sanktionen belastet. Damit ist niemandem geholfen, da Europa und Russland wirtschaftlich voneinander abhängig sind. Das gilt besonders für Baden-Württemberg, weil wir mehr auf Export ausgerichtet sind als alle anderen.
Die USA haben bereits Sanktionen verhängt, die EU folgt mit leichten Strafmaßnahmen.
Die Amerikaner sollten jetzt nicht mit Einzel-Aktionen vorpreschen, sondern abgestimmt mit den Europäern vorgehen. Ich kann nur hoffen, dass in Amerika nicht die Scharfmacher die Oberhand bekommen. Das wäre ein falsches Signal.
Wie soll dann Frieden geschaffen werden?
Ich setze darauf, dass die Bemühungen von Frank-Walter Steinmeier erfolgreich sind und es zu einer internationalen Kontaktgruppe kommt, in der dann Gespräche zwischen Russland, der Ukraine und Europa geführt werden und der Konflikt beigelegt werden kann.
Im Moment sieht es aber eher so aus, als ob sich der Konflikt auf der Krim hochschaukelt und am Ende sogar kriegerische Auseinandersetzungen sehen könnten.
Ich kann die Sorgen nachvollziehen. Ich hoffe aber, Vladimir Putin ist rational genug, dass er nicht gegen seine eigenen wirtschaftlichen Interessen handelt. Das wichtigste ist jetzt, dass es zu einer Kontaktgruppe kommt und die neue ukrainische Führung nachbarschaftliche Beziehungen zu Russland aufbaut.
Die EU will die Ukraine mit elf Milliarden Euro unterstützen. Ist das Geld, das die EU zur Zeit erübrigen kann?
Die Ukrainer sind in Massen auf die Straße gegangen, um unter Einsatz ihres Lebens für Europa zu kämpfen und sich zu europäischen Werten zu bekennen. Das Mindeste, das Europa nun tun kann, ist den Menschen zu helfen, diese schwierige Lage durchzustehen. Die Hilfszahlungen, die Europa anbietet, sind gut angelegtes Geld. Es kann uns nicht egal sein, was in unmittelbarer Nachbarschaft zur EU passiert.