Während die Handwerker im „Haus am Schloss“ noch die letzten Arbeiten verrichten, erobern die Bewohner schon die neuen Räume in dem Neubau an der Wigandstraße 20 in Stammheim. Foto: Chris Lederer

Vor wenigen Tagen sind die ersten Bewohner in die neue Wohn- und Förderstätte der Stiftung Nikolauspflege an der Wigandstraße eingezogen. Blinde und sehbehinderte Menschen mit Mehrfachbehinderungen sollen dort betreut werden.

Stammheim - Hans Schöffler ist erleichtert: „Gott sei Dank! Ich bin froh, dass ich endlich hier bin.“ Hier, das ist im „Haus am Schloss“ an der Wigandstraße. Im zweiten Obergeschoss des Neubaus hat Schöffler sein Zimmer bezogen. Der 65-Jährige sieht kaum noch etwas. Das Augenlicht schwindet in Folge einer Krankheit. Um so mehr freut er sich über die ruhige Lage im Herzen von Stammheim.

Bis vor Kurzem wurde er – wie alle anderen seiner Mitbewohner – in der Interimswohnstätte der Nikolauspflege an der Maybachstraße in Feuerbach betreut. „Der Verkehr, Sirenen der Polizei und der Rettungswagen. Da war es schon ziemlich laut“, sagt Schöffler. Jetzt sei alles besser: „Das Gebäude ist viel schöner, und wir haben endlich Platz, ich habe sogar ein Einzelzimmer mit Balkon.“ Schöffler ist einer von rund zwei Dutzend sehbehinderten und blinden Menschen, die seit der vergangenen Woche in Stammheim wohnen.

“Lange Durstrecke liegt hinter uns“

Am Donnerstag war Umzugstag: Von morgens bis abends waren die Lastwagen zwischen Feuerbach und Stammheim unterwegs. „Wir haben 600 Möbelstücke mit Klebern versehen und zugeordnet“, sagt die Einrichtungsleiterin Simone Westhoff. Zwar sind die Handwerker noch im Haus, „Frisch gestrichen“-Schilder kleben im Treppenhaus, es riecht nach Farbe und neuen Böden. Dennoch ist die Wohn- und Förderstätte im Obergeschoss wohnlich und bezugsfertig.

Höchste Zeit findet auch Petra Mack, die Leiterin des Geschäftsbereichs Erwachsene der Nikolauspflege. „Es liegt eine lange Durststrecke hinter uns, aber wir wollten so bald wie möglich aus Feuerbach hierher ziehen“, sagt sie. „Wir haben hier in Stammheim dreimal so viel Platz wie an der Maybachstraße und können die Menschen hier viel individueller in kleinen Wohngruppen betreuen.“ Neben großzügigen Wohnbereichen und Gruppenräumen hätten die Bewohner in ihrer neuen Bleibe auch ausreichend Rückzugsmöglichkeiten. „Manche der Klienten gehen zu Treffen nach draußen oder wollen sich auch Freunde hierher einladen.“ Das sind Dinge, die in Feuerbach nur schwer oder gar nicht möglich waren, sagt Petra Mack: „Die Menschen hier haben ein Recht auf Teilhabe; das geht kaum, wenn man in einem Schlauch mit zwei Fluren wohnt.“

Förder- und Betreuungsbereich mit 32 Plätzen

Jetzt sei alles besser: In dem barrierefrei und sehbehindertengerecht eingerichteten Haus wurden im Obergeschoss 24 Wohnplätze geschaffen – inklusive eines Kurzeitpflegezimmers für Notfälle oder um Eltern bei der Betreuung zu entlasten. Dort finden blinde und sehbehinderte Erwachsene mit Mehrfachbehinderungen ein Zuhause, in dem sie möglichst selbstständig leben können. Außerdem gibt es im Erdgeschoss einen Förder- und Betreuungsbereich mit 32 Plätzen, wo Bewohner und externe Klienten lebenspraktische Fertigkeiten erlernen und sich sinnvoll beschäftigen können. Einige der Bewohner pendeln tagsüber vom Haus am Schloss nach Untertürkheim und arbeiten in einer der Werkstätten der Nikolauspflege.

„In den kommenden Wochen geht es uns darum, dass sich die Bewohner in ihrer neuen Umgebung orientieren lernen; dabei helfen ihnen neben unseren Mitarbeitern auch speziell geschulte Fachkräfte“, erklärt Petra Mack. Sie lobt den freundlichen Empfang im Stadtbezirk: „Wir hatten im Vorfeld viele schöne Gelegenheiten, die Nachbarschaft kennenzulernen und sind sehr herzlich empfangen worden.“

Offizielle Eröffnung für Frühjahr geplant

Die offizielle Eröffnung der neuen Wohnstätte ist zu einem späteren Zeitpunkt im Frühjahr 2017 vorgesehen. Dann haben sich alle Bewohner eingelebt und sind bereit für ein größeres Fest mit Tag der offenen Tür und vielen Gästen aus Stammheim und Umgebung, die sich ein Bild von der Einrichtung machen wollen. Und es soll nicht bei nur einem Fest bleiben, betont Petra Mack: „Wir wollen mit anderen Einrichtungen in Stammheim zusammenarbeiten und sind offen für weitere Kooperationen, Projekte und Synergien.“