"Um nachhaltige Erfolge zu erzielen, muss der Reformprozess gerade auch in guten Zeiten weitergehen. Für Deutschland heißt das: Das Land muss jetzt handeln", sagte der Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Angel Gurría (rechts, mit Sigmar Gabriel), am Dienstag in Berlin. Foto: dpa

Wirtschaftlich sei in Deutschland vieles in Butter, lobt der Industrieländer-Club OECD - wenn da nicht der riesige Niedriglohnsektor und schlechten Aufstiegschancen wären.

Wirtschaftlich sei in Deutschland vieles in Butter, lobt der Industrieländer-Club OECD - wenn da nicht der riesige Niedriglohnsektor und schlechten Aufstiegschancen wären.

Berlin - Die OECD fordert von der großen Koalition rasche Reformen, um ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum zu sichern und das Armutsrisiko zu bekämpfen. „Um nachhaltige Erfolge zu erzielen, muss der Reformprozess gerade auch in guten Zeiten weitergehen. Für Deutschland heißt das: Das Land muss jetzt handeln“, sagte der Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Angel Gurría, am Dienstag in Berlin.

Die OECD erwartet für Deutschland 2014 ein Wachstum von 1,9 Prozent, im Jahr darauf von 2,3 Prozent.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach von einer guten Prognose, aber auch der Mahnung an Schwarz-Rot, sich nicht auszuruhen: „Wir glauben, dass ganz Vieles davon angelegt ist in der Politik der großen Koalition, aber manches auch noch fehlt.“

In dem alle zwei Jahre vorgelegten Bericht stellt die OECD fest, dass das relative Armutsrisiko und die Einkommensungleichheit in den vergangenen Jahren weitgehend unverändert geblieben seien. Deutschland habe zwar eine der geringsten Arbeitslosenraten. Der stark wachsende Niedriglohnsektor aber, wo viele Beschäftigte mit befristeten Verträgen arbeiteten, sei ein Problem. Gurría kritisierte erneut das deutsche Bildungssystem. Aufstiegschancen junger Menschen seien in keinem anderen OECD-Land so abhängig vom Wohlstand des Elternhauses.

Gurría lobt geplante Einführung eines allgemeinen Mindestlohns

Die OECD - ein Zusammenschluss von 34 Industrieländern - regt Steuerentlastungen und geringere Sozialabgaben vor allem für Geringverdiener an. Gurría lobte ausdrücklich die geplante Einführung eines allgemeinen Mindestlohns. Mit höheren Löhnen und fairer Besteuerung könne die Binnenkonjunktur weiter angekurbelt werden und neben Exporten ein Wachstumsmotor in Deutschland bleiben.

Steuersubventionen sollten aus Sicht Gurrías gestrichen und das umstrittene Rentenpaket von Union und SPD aus Steuermitteln und nicht über die Sozialkassen finanziert werden. Dienstleistungen sollten ausgebaut und der Finanzsektor gestärkt werden. So plädiert die OECD für eine Privatisierung von Landesbanken. Gabriel betonte, die OECD erkenne an, dass die deutsche Volkswirtschaft bemerkenswert widerstandsfähig sei. Umgekehrt sei zu begrüßen, dass der Bericht auch kritisch auf Probleme sozialer Ungleichheit und die Gefahr einer Spaltung am Arbeitsmarkt hinweise. Die OECD-Maßgabe, alle fair am Wachstum zu beteiligen, sei bemerkenswert, sagte der SPD-Chef. Löhne und Gehälter entwickelten sich wieder positiv - in der Größenordnung von Inflationsrate und Produktivitätszuwachs.

Jedoch müsse aufgepasst werden, dass dies nicht durch die Steuer teilweise wieder zunichte gemacht werde, betonte Gabriel. Ein rascher Abbau der kalten Progression ist in der Koalition umstritten. Als kalte Progression gelten heimliche Steuererhöhungen als Folge des Zusammenspiels von Lohnerhöhungen, steigenden Steuersätzen sowie Preissteigerungen.