Sparer sind die Verlierer der Niedrigzinspolitik Foto: dpa

Der Druck auf die Zinsen hält an. Selbst die viel kritisierten Dispozinsen geben nach dem jüngsten Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank etwas nach. Bankberater warnen Anleger davor, nur auf die Rendite und zu wenig auf das damit verbundene Risiko zu schauen. Wir geben einen Überblick.

Stuttgart - Der Druck auf die Zinsen hält an. Selbst die viel kritisierten Dispozinsen geben nach dem jüngsten Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank etwas nach. Bankberater warnen Anleger davor, nur auf die Rendite und zu wenig auf das damit verbundene Risiko zu schauen. Wir geben einen Überblick.

Die EZB-Entscheidung

Mit seiner erneuten Zinssenkung vor wenigen Tagen hat Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), einmal mehr überrascht. Der Leitzins liegt nur noch bei 0,05 Prozent, Banken müssen Strafzinsen von 0,2 Prozent zahlen, wenn sie Geld kurzfristig bei der EZB parken, statt es zu verleihen, zudem hat die Zentralbank angekündigt, Europas Banken Kreditverbriefungen im Milliardenhöhe abzukaufen. Obwohl die Zinsen historisch niedrig sind, zeigt die erneute EZB-Zinsentscheidung Wirkung, wie eine Umfrage unserer Zeitung ergibt. Was Kreditnehmer freut, treibt Sparern die Sorgenfalten ins Gesicht.

Die Dispozinsen

Die Deutsche Bank wolle bei Kreditprodukten mit variablem Zins wie dem Dispokredit den Zinsschritt der EZB an die Kunden weitergeben, sagt Friedrich Heer, Mitglied der Geschäftsleitung der Deutschen Bank Stuttgart. Von 15. September an liegt die Zinsspanne für den Dispozins zwischen 8,70 und 11,70 Prozent. Bisher kostete der Dispokredit zwischen 8,80 und 11,80 Prozent.

Die Commerzbank senkt von 22. September an den Dispozins. Bei ihrem Premium-Konto liegt er dann bei 9,25 Prozent nach zuvor 9,40 Prozent. Bei allen anderen Girokonten wird er auf 11,25 Prozent gesenkt nach 11,40 Prozent.

Bei der LBBW sind die Konditionen für Dispo- und Überziehungskredite an Verbraucher an den Drei-Monats-Euribor gekoppelt. Der Euribor ist der Zinssatz, zu dem sich europäische Banken Anleihen in Euro gewähren. Die Konditionen werden jeweils zu Beginn eines Quartals angepasst. „Auswirkungen wird es daher frühestens zum 1. Oktober 2014 geben“, so ein LBBW-Sprecher, falls sich der Drei-Monats-Euribor gegenüber dem Vorquartal geändert habe.

Die Bauzinsen

Auf die Baufinanzierungszinsen hat die EZB-Zinsentscheidung „aktuell keine Auswirkungen“, sagt ein Commerzbank-Sprecher, da die Kundenzinsen für langfristige Baufinanzierungen an die langfristigen Kapitalmarktzinsen gekoppelt seien.

„Für Kreditnehmer sind die Baufinanzierungskonditionen so günstig wie noch nie“, betont der Sprecher der Bausparkasse Schwäbisch Hall. Messlatte für Zinsentscheidungen ist die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen. „Diese hat sich seit Jahresanfang halbiert von knapp unter zwei Prozent auf jetzt unter 0,9 Prozent.“

Die Bausparkasse hat wenige Tage vor der EZB-Zinsentscheidung ihren Hochzins-Tarif mit einer Guthabenverzinsung von 0,75 Prozent aus dem Markt genommen. „Der Rendite-Tarif hat nicht mehr in die Zinslandschaft gepasst“, sagt der Sprecher der größten deutschen Bausparkasse.

Die Sparda-Bank Baden-Württemberg rechnet mit einer weiter steigenden Immobiliennachfrage. „Wir gehen davon aus, dass das ohnehin schon niedrige Baugeld im Oktober nochmals gesenkt wird“, sagt der Sprecher der Bank.

Tagesgeld und Sparanlagen

Der Unmut der Sparer sei allerorten zu spüren, sagt der Sprecher der Volksbank Stuttgart. „Mit kurzfristigen Anlagen kann nicht einmal mehr ansatzweise die Inflationsrate ausgeglichen werden, das heißt: Das historische Zinstief würde auf Dauer zu einem schleichenden Vermögensverlust des Anlegers führen.“

Die Volksbank Stuttgart will die potenziellen Auswirkungen der EZB-Beschlüsse zunächst analysieren und wird erst im Verlauf der Woche entscheiden, wie die Konditionen angepasst werden. Auch die Deutsche Bank will zunächst die Auswirkungen der EZB-Entscheidung auf die Zinsmärkte beobachten, bevor sie ihr Zinsangebot bei Spar- und Festgeldprodukten anpasst.

„Die Zeiten der schleichenden Enteignung gehen weiter“, heißt es bei der Commerzbank. Die neuerliche Zinssenkung mache klassische Sparanlagen wie Tagesgeld oder Sparbuch noch unattraktiver, sagt ein Sprecher der Großbank. Entsprechend dürfte der dort knappe Zins nicht ausreichen, den jährlichen Kaufkraftverlust durch Inflation zu kompensieren.

Die LBBW wartet zunächst noch ab. „Sollten die Geldmarktzinsen zurückgehen, kann sich dies auch auf die Guthabenverzinsung bei Spar- und Tagesgeldeinlagen auswirken“, heißt es bei der Landesbank. „Die Zinsen für Geldanlagen haben sich schon vor der Leitzinsreduzierung auf historischem Tiefstand befunden“, betont ein Sprecher der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen. „Deshalb hat dieser erneute Mini-Zinsschritt der EZB hat keine nennenswerten Auswirkungen auf das Konditionsniveau.“

Die Sparda-Bank hat die Zinsen für Tagesgeld auf 0,15 Prozent gesenkt. Die Entwicklung der mittel- bis langfristigen Zinsen will sie im Markt beobachten. „Bis Monatsende halten wir noch unser Angebot für 15 Monate bei jährlich 1,15 Prozent aufrecht“, so der Sprecher.

Die Lebensversicherung

„Auch an den Lebensversicherern geht die aktuelle Zinssituation nicht spurlos vorüber“, sagt ein Sprecher des Finanzkonzerns Wüstenrot & Württembergische. Dennoch bieten diese ihm zufolge immer noch eine sehr beachtliche Gesamtverzinsung. Lebensversicherer könnten ihre Anlagestrategien gezielter steuern als der einzelne Anleger. Damit erzielten sie häufig bessere Konditionen für Anlagegelder. „Durch ein starkes Versichertenkollektiv minimieren Lebensversicherer gleichzeitig auch das individuelle Verlustrisiko für den einzelnen Versicherungsnehmer.“

Bei aller Diskussion um Rendite solle der spezielle Charakter einer Lebensversicherung nicht vergessen werden, heißt es bei der SV Sparkassenversicherung. „Wir bieten unseren Kunden beispielsweise eine garantierte lebenslange Rente oder eine Absicherung im Falle der Berufsunfähigkeit.“

Die Empfehlungen

Anlageentscheidungen sollten Kunden vor allem auf den Kapitalerhalt und ihre Risikoneigung hin prüfen, rät der Sprecher der Volksbank Stuttgart. Er warnt davor, „die spekulativen Anlagen drastisch zu erhöhen oder zu Höchstpreisen Sachwerte zu erwerben.“ Ein plötzlicher Kursrutsch am Aktienmarkt oder ein Preisabschlag bei Immobilien von zehn bis 20 Prozent kann auf einen Schlag „einen weitaus größeren Verlust verursachen als eine fehlende Verzinsung über einen längeren Zeitraum.“ Die Volksbank Stuttgart rät deshalb dazu, ruhig zu bleiben und keine überhasteten Entscheidungen zu treffen. Pauschalempfehlungen für Anleger seien in diesem Umfeld nahezu unmöglich. Klar sei: Derzeit könne seriös keine Rendite versprochen werden, welche weit über dem Leitzinsniveau liege.

„Die aktuelle Niedrigzinspolitik ändert nichts an der Bedeutung privater Rücklagen und privater Vorsorge“, betont der W&W-Sprecher. Er empfiehlt bei der Anlage, nicht alle Eier in einen Korb zu legen, um das Risiko zu minimieren.

Die LBBW stellt bei ihren Kunden ein wachsendes Interesse an Wertpapieranlagen fest. Berührungsängste seien aber nach wie vor weit verbreitet. „Grundsätzlich empfehlen wir, das Vermögen breit zu streuen, etwa mit einer fondsbasierten Vermögensverwaltung“, sagt ein Sprecher. Beliebt seien auch Sparpläne in Aktienfonds. „Besonders attraktiv ist das Fondssparen, wenn der Arbeitgeber vermögenswirksame Leistungen beisteuert, die der Staat mit Zulagen fördert.“

„Viele Kunden sind aufgrund der aktuellen Zinsentwicklung zurzeit verunsichert, welche Anlagealternativen es gibt“, sagt Privatkundenchef Heer von der Deutschen Bank Stuttgart. Aktien sieht Heer als „sinnvolle Ergänzung“ in der Anlage an. Die Commerzbank rät, in etwas risikoreichere Segmente wie Aktien, Rohstoffe oder Unternehmensanleihen von finanziell schwächeren Gesellschaften zu investieren. Denn an den Wertpapiermärkten würden klassische Anlageformen für eher sicherheitsorientierte Anleger wie Staatsanleihen oder erstklassige Unternehmensanleihen auch kaum noch Rendite abwerfen, so ein Sprecher.. Allerdings sollte auf eine gute Streuung geachtet werden.

Die Kunden suchen nach Anlagen, „deren Renditeerwartungen über der Inflationsrate liegen“, so ein Sprecher der Esslinger Kreissparkasse. Die Nachfrage nach Wertpapieren sei höher als in den Vorjahren.