Der IS ist aus der Stadt Al-Rakka vertrieben. Mitglieder der kurdischen „Frauenverteidigungseinheite“ feiern ihren Sieg. Foto: AP

Die Terrororganisation Islamischer Staat gilt als militärisch besiegt. Die Gefahr von Terroranschlägen in Europa wird dadurch eher steigen. In Deutschland nimmt die Polizei am Dienstag mehrere Männer wegen Terrorverdachts fest.

Stuttgart - Der Islamische Staat ist militärisch besiegt. Diese gute Nachricht kommt aus dem Iran von einem Mann, der es wissen muss. Ghassem Sulejmani ist Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden, die im Irak und in Syrien gegen den IS gekämpft haben. Für den sunnitischen IS hat der schiitische Iran den gleichen Status wie Ungläubige. Das Problem aber ist: der IS mag militärisch am Ende sein, aber die islamistische Ideologie lebt weiter.

Die Islamisten aus den Hochburgen vertrieben

Die Kämpfer des Islamischen Staates wurden inzwischen aus ihren Hochburgen Mossul im Irak sowie Al-Rakka und Dair as-Saur in Syrien vertrieben. Sie kontrollieren im Wesentlichen nur noch ein von Wüste geprägtes Gebiet an der Grenze zwischen beiden Ländern. Die Extremisten hatten für den Fall ihrer Niederlage allerdings längst Vorkehrungen getroffen.

Tatsache ist, dass sich die Terroristen in anderen Regionen sammeln. Eine dieser Grauzonen ist Libyen, ein Land in dem die staatliche Ordnung zusammengebrochen ist. Experten gehen davon aus, dass sich 3000 bis 4000 IS-Kämpfer in dem nordafrikanischen Krisenland aufhalten. Tendenz steigend. Auch im Rest von Afrika gibt es genügend Rückzugsgebiete. Mali gilt als Aufmarschregion der Islamisten oder auch das nigerianische Boko-Haram-Gebiet.

Die Taktik des Guerillakrieges

Mit dem Rückzug verändert sich auch die Taktik. Die Miliz gehen zu einem „Guerillakrieg“ über und verüben Anschläge vor allem auf das Militär und die Polizei – aber auch Zivilisten sind das Ziel. Die Gefahr von Terrorattacken ist also nicht gebannt, sie hat sich lediglich verlagert. Durch die Niederlage des IS steigt nach Expertenansicht auch die Bedrohungslage in Europa. Für den in die Defensive geratenen Islamischen Staat werden Anschläge im Westen wesentlich wichtiger.

Rief die Terrororganisation anfangs noch ihre Anhänger aus dem Westen dazu auf, ins „Kalifat“ nach Syrien und in den Irak zu reisen, so werden sie nun noch stärker als früher gedrängt, in ihren Heimatländern Attentate zu begehen. Eine hohe Frequenz von Anschlägen gilt als die „Währung“ des IS, mit der er seine Bedeutung aufrechterhalten will.

Viele Gefährder in Deutschland

In Deutschland wird die Zahl der so genannten Gefährder, also Personen, denen die Sicherheitsbehörden einen Anschlag zutrauen, vom Bundeskriminalamt auf knapp 700 beziffert. Rund 150 islamistische Gefährder gelten dabei als „hochriskante“ Top-Gefährder. Der Verfassungsschutz geht sogar von einem „islamistisch-terroristischen Personenpotential“ von 1650 Personen aus. Experten sind überzeugt, dass der Kampf gegen den Terrorismus auf allen Ebenen noch über Jahrzehnte geführt werden müsse.

Festnahmen wegen Terrorverdacht

Zuletzt hat die Polizei wegen Terrorverdachts am Dienstagmorgen in mehreren deutschen Städten sechs Syrer festgenommen. Die Männer im Alter von 20 bis 28 Jahren sollen als Mitglieder der Terrormiliz IS einen Anschlag auf ein öffentliches Ziel in Deutschland geplant haben, teilte die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt mit. Mindestens zwei der Beschuldigten wurden während der Durchsuchung von acht Wohnungen in Kassel festgenommen, die anderen in Hannover, Essen und Leipzig. Die Anschlagsplanungen waren den Ermittlungen zufolge noch nicht abgeschlossen, sollen sich aber gegen ein öffentliches Ziel in Deutschland gerichtet haben. Hinweise auf ein konkretes Ziel gebe es aber noch nicht, sagte Staatsanwalt Christian Hartwig.