Auch äußerlich brave Spießbürger bleiben in Nicolas Mahlers Cartoons von der Modernisierung der Beziehungswelt nicht verschont. Foto: Edition Moderne

Der Wiener Humorist Nicolas Mahler knöpft sich in seinem neuen Cartoonbändchen „Wir müssen reden!“ Liebe, Ehe und Partnerschaft vor. Einsame sollten sich das witzige Buch zulegen: Die Lektüre dürfte sie froh machen, Single sein zu dürfen.

Stuttgart - „Dieses Buch kann Ihre Beziehung retten!“ steht groß auf der Rückseite des neuen Cartoon-Bändchens „Wir müssen reden“ von Nicolas Mahler. Sollte das Werk aber den unermüdlichen Testern der vielen „Marktcheck“-Sendungen im deutschen Fernsehen in die Hände fallen, kann man sich das Urteil jetzt schon ausmalen: arglistige Verbrauchertäuschung. Denn der Wiener Humorist Nicolas Mahler bietet auf 58 Seiten wieder mal so Boshaftes und Galliges, dass der eine oder andere Beziehungskämpfende auch beschließen könnte, das Handtuch zu werfen und den Rest der Tage Single zu bleiben.

Schon der Cartoon auf dem Titelbild verrät, wo’s lang geht: an einem kleinen Tischchen mit zwei Rotweingläsern sitzt ein mahler-typisches Paar: eine imposant große Frau mit zwanghaft wirkender Haarschnecke auf dem Kopf und ein jämmerlich gestaucht wirkendes Männlein, nicht halb so groß wie sein Gegenüber. Beide haben die enorm langen Nasen der Mahler-Figuren, als müssten sie ihr bisschen Sauerstoff aus enorm dicker Luft durch ein körpereigenes Filtersystem ziehen, und bei beiden sind die Augen so klein, dass wir sie nicht erkennen könnten, so, als wollten diese Figuren gar nicht so genau sehen, in welchem Schlamassel sie leben. „Wir müssen reden!“ sagt die Frau, und die Sprechblase hat sehr große Buchstaben. Über dem bemitleidenswerten Männlein schwebt derweil eine Denkblase: „Wir müssen zuhören“.

Diese Situationen kennt jeder

So ulkig die Bilder Mahlers auf den ersten Blick aussehen, so abgründig sind viele seiner Gags. Immer wieder knöpft er sich in anderen Bänden Hochkultur, Geistesgeschichte, philosophische Debatten und religiöse Fragen vor. Will heißen: Etliche Gags in seinem Gesamtwerk zünden nur, wenn man die Hintergründe kennt. „Wir müssen reden!“ ist da viel zugänglicher. Beziehungsprobleme kennt jeder, dem modernen Beziehungswerkstattjargon entkommt keiner, und über neueste Lebenshilfekonzepte und Seelenheilmittelchen wird von Talkshows und Zeitungsartikeln auch der gut informiert, der gerade keine Probleme hat. Will heißen, in die Minigeschichten hier kann sich jeder hineindenken.

„Horch“, sagt eine Frau, die gerade einen Einkaufswagen durch den musikberieselten Supermarkt schiebt, „sie spielen unser Lied! Aber nur in der Instrumentalversion.“ Denkt sich ihr rotnasiger Mann, der gerade eine Flasche aus dem Regal holt: „Wahrscheinlich, weil wir uns nichts mehr zu sagen haben.“

Nicolas Mahler: „Wir müssen reden!“ Cartoons. Edition Moderne, Zürich. 58 Seiten, 14,80 Euro.