Im Tonstudio: Nick Hornby (li.) und Ben Folds. Foto: Eamonn McCabe

Der Autor Nick Hornby hat zusammen mit dem Songwriter Ben Folds eine Platte aufgenommen.

Stuttgart - Ob "High Fidelity", "About A Boy" oder "Juliet, Naked" - die Bücher des britischen Bestsellerautors Nick Hornby waren schon immer voller Popmusik. Nun hat er mit dem US-Songwriter Ben Folds die Platte "Lonely Avenue" aufgenommen, die Hornbys Texte in vielschichtige Popsongs verwandelt.

"Picture Window" heißt eines der Lieder auf "Lonely Avenue", das man nicht mehr so schnell aus dem Kopf kriegt. Eine Mutter muss mit ihrem Kind die Silvesternacht im Krankenhaus verbringen. Während vor dem Fenster Raketen die Nacht erhellen, kann sie vor Sorgen nicht schlafen und verflucht die Hoffnung: "Hope is a bastard / Hope is a liar, a cheat and a tease", singt Ben Folds in diesem ergreifenden Klaviermelodram: Falls dir irgendwann die Hoffnung zu nah kommt, tritt ihr in den Hintern, fordert er sanft, denn an Tagen wie diesen macht Hoffnung alles nur noch schlimmer.

Der Begriff der Supergroup wurde im Pop zwar etwas überstrapaziert. Doch wann, wenn nicht beim Aufeinandertreffen des britischen Schriftstellers Nick Hornby (53) und des brillanten US-Songwriters Ben Folds (44) sollte man von einer Supergroup sprechen? Der ehemalige Englischlehrer Hornby ist seit Romanen wie "Fever Pitch" (1992), "High Fidelity" (1995) und "About A Boy" (1998) , die alle verfilmt wurden, zu einem der wichtigsten Chronisten der internationalen Popkultur geworden und war in diesem Jahr mit dem Script zu "An Education" für einen Oscar nominiert. Der Sänger und Pianist Ben Folds ist ein Popvirtuose und Songwriter mit Gespür für zuckersüße Melodien und Arrangements, aber auch für sarkastisch-ironische Brechungen. Seine Alben "Rockin' The Suburbs" (2001), "Songs For Silverman" (2005) und "Way To Normal" (2008) zählen zu den besten Popplatten, die in den letzten zehn Jahren erschienen sind.

Hornbys Texte und Folds' Popinstinkt

Am Anfang der Zusammenarbeit stand allerdings ein Missverständnis. Nick Hornby hatte in dem Buch "31 Songs" (2003) das Lied "Smoke" von Ben Folds' ehemaliger Band Ben Folds Five als einen der "schlauesten, weisesten Songs über den schleichenden Tod einer Beziehung" gelobt und Folds zu den perfekten und cleveren Lyrics gratuliert. Folds bedankte sich artig bei Hornby, wies diesen aber darauf hin, dass der Text gar nicht von ihm stammte.

Inzwischen sind die beiden befreundet und kamen auf die Idee, als eine Art gemeinsames Nebenprojekt eine Platte zu machen. Hornby schickte Folds per E-Mail die Songtexte, Folds schrieb die Musik dazu. Und wenn man sich die Lieder auf "Lonely Avenue" wieder und wieder anhört, weiß man nie, ob man mehr von den poetisch verdichteten Short Storys schwärmen soll, die hinter Hornbys Texten lauern, oder über Folds' Popinstinkt, der jede der elf Nummern auf dem Album prägnant klingen lässt, der musikalisch stets das Gleichgewicht zwischen Sentimentalität und Zynismus findet - und auch mal gezielt gegen die Stimmung in Hornbys Lyrics arbeitet.

Neben "Picture Window" gehört das Stück "Claire's Ninth" zu den ergreifendsten Momenten des Albums. Zu einem lustig klimpernden Klavier wird die Geschichte des neunten Geburtstags von Claire erzählt, die sich gewünscht hat, dass ihre geschiedenen Eltern diesen einmal gemeinsam mit ihr feiern. Doch schon als sie sieht, dass Mama und Papa statt wie abgemacht in einem Auto mit zwei Autos an der Schule vorfahren, weiß Claire, dass sie sich bei ihrem nächsten Geburtstag lieber den Weltfrieden wünscht.

Sarkastisch geht es auch in "Levi Johnston's Blues" zu, dessen Titelheld der junge Mann ist, der dadurch berühmt wurde, dass er die Tochter Sarah Palins geschwängert hat. Folds lässt den Song mit einem E-Bass-Groove beginnen, später gibt es psychedelische Momente, dann verwandelt sich das Klavier in ein Barpiano, und im Refrain hat man es auf einmal mit einer entrückten Hymne zu tun, in die sich die Streicher der Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band verirrt zu haben scheinen. Denn als dritter Mann in dieser Supergroup darf Paul Buckmaster gelten, der zuvor Streichersätze für David Bowie, Elton John und Leonard Cohen arrangiert hat und die Songs von Hornby und Folds stets mit einer wunderbaren Empfindlichkeit ausstattet.

Während sich "Your Dogs" mit dem Glamrock anlegt, spielt "Saskia Hamilton" mit dem New Wave. "From Above" ist ein wehmütiger Popsong darüber, wie schwer es ist, zu merken, dass einem gerade die Liebe seines Lebens über den Weg gelaufen ist. Und am Ende von "Lonely Avenue" erwartet einen noch die herzzerreißende Ballade "Belinda", die von einem Popstar erzählt, der jeden Abend seinen einzigen Hit namens "Belinda" spielen muss, obwohl er die Romanze, die er da besingt, längst ruiniert hat. Aber den anderen Song, den er für Cindy geschrieben hat, will keiner hören. Nicht einmal Cindy.