In der Gastronomie ist man mit den bestehenden Regeln zufrieden. Foto: dpa/Martin Gerten

Außengastronomie, Bushaltestellen, Freibäder – es gibt noch viele Stellen, wo geraucht werden darf. Ein Bürgerforum soll klären, ob das so bleiben soll – und noch vieles mehr.

Verglichen mit den Gesetzen, die die Grundzüge unseres Zusammenlebens regeln, ist das Landesnichtraucherschutzgesetz (LNRSchG) ein Jüngling. Das Bürgerliche- oder das Strafgesetzbuch haben weit mehr als 100 Jahre auf dem Buckel, das LNRSchG ist mit gerade einmal 17 Jahren noch nicht mal volljährig. Es sagt einiges über die Qualität der heutigen Gesetzgebung aus, dass eben jener Jüngling nun schon wieder zur Disposition steht. Die Grün-Schwarze Regierung hat das so in ihrem Koalitionsvertrag stehen.

 

Was wünschen und denken die Menschen im Land?

Und weil sich die Regierung ebenfalls auf die Fahnen geschrieben hat, bei Gesetzen, die den Bürger besonders betreffen, eben diesen schon im Vorfeld anzuhören, hat nun ein Verfahren begonnen, dass es in dieser Form noch nie gegeben hat. Politik und Verwaltung sollen schon vor dem ersten Referentenentwurf ein Gefühl dafür bekommen, was die Menschen im Land so wollen und wünschen, sagt Ulrich Arndt. Der Leiter der Servicestelle Bürgerbeteiligung spricht von „gesellschaftlicher Tiefenbohrung“. Im Spätsommer oder Herbst soll eine Gruppe zufällig ausgewählter Bürger diese Bohrung starten. Zu solch einem frühen Stadium im Gesetzgebungsverfahren habe es das noch nie gegeben, sagt Arndt.

Damit die Männer und Frauen auch wissen, worüber sie reden, gibt es einen Themenkatalog. Und der fällt nicht vom Himmel. Das federführende Sozialministerium und die Servicestelle Bürgerbeteiligung haben bereits ein paar Bereiche definiert, über die es sich zu reden lohnen könnte – von diesem Freitag an darf jeder im Land schon einmal online schauen, ob da etwas fehlt – und unter der Adresse www.servicestelle-buergerbeteiligung.de seine Ansicht zum Besten geben. Das haben Anfang der Woche auch schon Vertreter von Verbänden und gesellschaftlichen Gruppen getan. Es zeigt sich: die Angelegenheit wird herausfordernd.

Wer soll das alles kontrollieren?

Da ist die Anregung der Suchthilfe, im Gesetz nicht nur mit Verboten, sondern mit positiven Botschaften zu arbeiten. Zusätzlich sollte versucht werden die Eltern zu erreichen, die zu Hause ihre eigenen Kinder vernebeln. Verbandsvertreter weisen darauf hin, dass an Bushaltestellen auch dann das Rauchen gestattet ist, wenn dort Schüler auf dem Weg zum Unterricht warten, und dass man auch in Freibädern, Einkaufspassagen und Fußgängerzonen über ein Rauchverbot nachdenken könnte – ebenso wie in Sportstätten.

Letzteres findet ein Vertreter der Sportverbände grundsätzlich begrüßenswert, weist aber darauf hin, dass meistens nicht die Vereine, sondern die Kommunen das Hausrecht haben – und die weisen auf ein nicht kleiner werdendes Dilemma hin: Wer soll das kontrollieren? Oder besser: Wer soll die Kontrolleure bezahlen? Und dann gebe es da ja noch die Pflicht zum Bürokratieabbau – die mit all den bisher gemachten Wünschen und Anregungen kaum in Einklang zu bringen ist: Alles, was er bisher höre, klinge nach mehr Regeln, mehr Ausnahmen, mehr Vielschichtigkeit, sagt ein weiterer Kommunalvertreter.

Ein Sprecher der Suchthilfeverbände regt an, in Kliniken zum Drogenentzug unbedingt auch weiterhin das Rauchen zu gestatten, weil die Akzeptanz bei den Betroffenen sonst auf Null sinke, der Vertreter der E-Zigaretten-Branche erklärt, dass die Nutzer seiner Produkte nicht mit gewöhnlichen Rauchern gleichgesetzt werden könnten – das allerdings fordern all jene, die für Kontrollen zuständig sind, der besseren Übersichtlichkeit wegen.

Cannabis-Konsum ist das größere Problem

Vertreter der Gastronomie, der Schausteller und der Konzertveranstalter fragen, warum überhaupt etwas geändert werden soll. In ihren Bereichen hätten sich die bisherigen Regeln bewährt, sie funktionieren, heißt es. Bei der Dehoga, die 12 000 Betriebe im Südwesten vertrete, habe es im vergangenen Jahr gerade einmal zwei Fragen zum Nichtraucherschutz gegeben. Fragen über Fragen gebe es jedoch beim Umgang mit Cannabis – und wenn es denn so weit komme, dass im Biergarten zwar ein Joint geraucht werden dürfe, aber keine Zigarette mehr, dann sei das den Gästen schlichtweg nicht zu erklären. Die Befürchtung derer, die ihr Geschäft mit dem Freizeitverhalten der Menschen machen: Es wird wohl zu weiteren Verboten kommen. Ob das die zufällig ausgesuchten Bürger letztlich auch so sehen, da sei er sich gar nicht sicher, sagt Ulrich Arndt. Im Herbst weiß man mehr – und danach ist ja auch noch der Gesetzgeber am Start.