Seit Anfang des Jahres sind Dorina Gllareva und Niklas Gruber die neuen Sprecher des Jugendgemeinderats Böblingen. Hier setzen sie sich dafür ein, den Jugendlichen in der Stadt eine Stimme zu geben. Und die Jugendparlamente bewegen etwas, wie man in Holzgerlingen sieht.
Wie gelingt es, Jugendliche für Politik zu interessieren? Was können Städte und Gemeinden tun, um Teilhabe und Mitsprache möglich zu machen, und damit auch dazu beizutragen, dass sich junge Menschen für ihren eigenen Ort einsetzen. Letztlich: Wie geht Demokratiebildung im echten Leben? Eine Möglichkeit sind Jugendgemeinderäte. Im Kreis Böblingen gibt es in etlichen Gemeinden solche jungen Parlamente, darunter Böblingen, Sindelfingen, Renningen, Weil der Stadt und Holzgerlingen – dort übrigens seit 24 Jahren.
In Böblingen sind die 16-jährige Dorina Gllareva und der 17-jährige Niklas Gruber seit Anfang des Jahres das Sprachrohr des Jugendgemeinderats. Beide besuchen derzeit noch die Schule, möchten die Gestaltung der Stadt aber schon jetzt nicht nur den Erwachsenen überlassen. „Wir wollen auch unseren Teil dazu beitragen, Böblingen attraktiver zu machen“, sagt Dorina Gllareva. „Und der Jugendgemeinderat bietet dafür eine gute Chance.“ Man könne viel meckern, ergänzt Niklas Gruber. „Aber wer sich politisch einsetzt, handelt auch.“
17 Jugendgemeinderäte – und ein eigenes Budget
Das Gremium funktioniert genauso wie der Gemeinderat der Erwachsenen. Alle zwei Wochen findet eine Sitzung statt, in der bestimmte Themen besprochen werden. Insgesamt hat der Rat 17 Mitglieder, die allesamt verschiedene Ämter bekleiden und alle zwei Jahre neu gewählt werden. Zehn Jugendliche sind laut Niklas Gruber in der Regel mindestens bei einer Sitzung anwesend. Neun braucht es, um beschlussfähig zu sein.
Diskutiert und geplant werden Projekte, die dazu beitragen, Böblingen als Lebensraum für die Jugend zu optimieren. Für die Umsetzung dieser Projekte und Aktionen besitzt der Jugendgemeinderat ein eigenes Budget, sowie ein Anhörungs-, Antrags- und Rederecht im Gemeinderat der Stadt.
„Wir werden ernstgenommen“
Im Moment beraten die jungen Parlamentarier die Verteilung von kostenlosen Menstruationsprodukten in Schulen. „Hier haben wir schon einen Antrag an die Stadt gestellt und hoffen jetzt, dass dieser genehmigt wird“, sagt Niklas Gruber. Aber auch der Tag der Demokratie wird in diesem Jahr wieder vom Jugendgemeinderat ausgerichtet. „Diesmal wollen wir uns auf die kleinen Kinder konzentrieren und im Jugendhaus Casanostra spielerisch zeigen, was es heißt, in einer Demokratie zu leben“, beschreibt Dorina Gllareva die Idee. Trotz ihrer jungen Jahre wissen die beiden JGR-Sprecher bereits ganz genau, was sie wollen, und wie sie ihre Ziele erreichen können. Glücklicherweise erfahren sie hier auch eine starke Unterstützung seitens des Erwachsenen-Gemeinderats und des Oberbürgermeisters. „Uns ist sehr wichtig, dass wir ernstgenommen werden und dass es nicht heißt ,das sind Jugendliche, die wissen doch gar nichts’“, fasst Dorina Gllareva das Gefühl in Worte.
Böblingen ist allerdings nicht die einzige Stadt im Kreis, die ihren Jugendlichen durch Jugendgemeinderäte eine Möglichkeit zur Beteiligung bietet. Auch im Jugendgemeinderat Sindelfingen sind derzeit einige Projekte in vollem Gange. Wie in Böblingen möchten die jungen Gremiumsmitglieder auch hier gerade eine Verteilung kostenloser Menstruationsprodukte an den Schulen erreichen. „Außerdem engagiert sich der JGR gerade sehr für die Geflüchteten aus der Ukraine und bemüht sich, Jugendliche von dort durch niederschwellige Aktivitäten ein bisschen abzuholen“, berichtet Jana Kastner, Leiterin des Sindelfinger Jugendbüros.
Eine Idee des JGR: der Fitnesspark Holzgerlingen
Noch lange vor den beiden großen Kreisstädten war allerdings ein kleine Gemeinde Vorbild für Jugendbeteiligung: Der erste Jugendgemeinderat wurde im Jahr 1998 in Holzgerlingen gegründet. Die Jugendlichen sind nach wie vor aktiv: „In diesem Jahr haben wir zum Beispiel einen Bolzplatz in der Nähe der B 464 gestaltet, der jetzt ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche ist“, sagt JGR-Sprecherin Lea Salemi. Auch der Fitnesspark in Holzgerlingen sei auf die Arbeit des Jugendgemeinderats zurückgegangen, was beweise, wie viel man in dem Gremium zur Stadtgestaltung beitragen kann. Für den Rest des Jahres werde es, was Projekte angeht, allerdings etwas ruhiger. „Wir bereiten gerade unsere Wahlen für das kommende Jahr vor und überlegen uns Konzepte, wie man den JGR in den Schulen bewerben kann“, so Lea Salemi. Die Beteiligung an den Wahlen schwanke von Jahr zu Jahr, da die Arbeit des Jugendgemeinderats nicht allen Jugendlichen bekannt ist. Daran wollen Lea Salemi und ihre Ratskolleginnen und -kollegen etwas ändern.
Neue Sprecher und andere Formen der Jugendbeteiligung
Vorstandswahl
Bei seiner Klausurtagung hat der Jugendgemeinderat (JGR) Sindelfingen am vergangenen Wochenende einen neuen Vorstand gewählt. Felix Anton Koch ist neuer Vorsitzender. Manuel Bernlöhr, Maja Fexmer und Saikshvly Ilyas komplettieren das Gremium. Marcell Völgyi Leinberger und Linus Bachmann scheiden aus. Seine nächste Sitzung hat der JGR Sindelfingen am Mittwoch, 29. Juni, um 18:30 Uhr im Erikson Hotel Sindelfingen.
Andere Formen
In vielen kleineren Gemeinden ist der Aufwand für einen eigenen JGR zu groß. Ersatzweise gibt es regelmäßige Jugendforen (wie zum Beispiel in Hildrizhausen) oder auch vergleichbare Projekte. In Weil im Schönbuch wiederum hat sich aktuell unter Begleitung des Jugendreferats eine Gruppe Jugendlicher gebildet, die vorerst die formale Gründung eines JGR nicht anstrebt, sondern dafür als offenere Form die „JugendBeteiligungWeil“ gestartet hat.