Justin Sullivan (Mitte) mit seiner Band New Model Army Foto: Veranstalter

Die englische Band New Model Army gastierte mit zentnerschwerem, politisch explizitem Indie-Rock im ausverkauften LKA – musikalisch etwas zähflüssig, aber nicht ohne Charisma.

Stuttgar - Zu Beginn ihrer Karriere war noch Margaret Thatcher englische Premierministerin, heute sorgen sie immer noch für ausverkaufte Hallen: New Model Army haben sich das Etikett Kultband wahrlich verdient. Und würde statt dem SWR 1 mal ein alternativer Radiosender eine Hörerhitparade veranstalten: Die Formation aus dem englischen Bradford – bei der tags zuvor abwickelten 2016er-Ausgabe dieses „jährlich grüßt das Murmeltier“-Events mit keinem einzigen Song unter den Top-2000-Titeln gelistet – wäre bestimmt mit dem ein oder anderen ihrer Independent-Hits auf vorderen Positionen zu finden. Jenseits des Mainstream hat diese Band nach mehr als 35 Karrierejahren nämlich eine bemerkenswert treue Fangemeinde um sich geschart. 1400 Besucher haben Sänger Justin Sullivan & Co. bei ihrem Gastspiel diesmal ins LKA gezogen, die in ihrer Heterogenität das Erfolgsgeheimnis der Briten auf den Punkt bringen.

„51st State“ ist immer noch aktuell

Auf diese Horde aufrechter Recken können sich vom Britrockfreund über den Spätpunk bis zum eher metal-orientierten Nachwuchs-Headbanger Angehörige verschiedenster Genres einigen – und zwar aus gleich mehreren Generationen. Verehrt wird die New Model Army (die sich ja nicht ohne Grund nach der Parlamentsarmee des englischen Revolutionärs Oliver Cromwell benannte) dabei ebenso für ihre „credibility“, ihre Glaubwürdigkeit, es mit ihrer politisch explizit linken Haltung ernst zu meinen wie auch für eine charismatische Mischung aus Post-Punk, Folk- und Independent Rock.

Wie die im Idealfall klingt, daran erinnern fulminant „White Coats“ und „51st State“, jene beiden schon 1989 beziehungsweise 1986 entstandenen Bandklassiker. Der eine erzählt von gewissenlos forschungsvernarrte Wissenschaftlern, der andere vom Gefühl, sich als politischer Trabantenstaat der USA zu begreifen: Hymnen, die auch knapp 30 Jahre nach ihrem Entstehen nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben, ihre Wirkung im LKA nicht verfehlen.

Gespielt wird alles mit dunkler Wucht

Dabei nähren sich New Model Army keineswegs nur vom Ruhm früher Tage. Regelmäßig liefert man neue, durchaus ordentliche Werke; „Winter“, deren jüngstes, bildet mit mehreren Songs wie „Burn The Castle“ oder „Part The Water“ sogar einen Pfeiler des rund zweistündigen Konzertes.

Gespielt ist das alles mit dunkler, allerdings auch etwas eintöniger Wucht. Schlagzeuger Michael Dean trommelt sich in Evergreens wie „Wonderful Way To Go“ oder „I Love The World“ zwar Finger und Füße wund, Bassist Ceri Monger sekundiert mit zentnerschwerem Bass, aber oft bleibt dieser Drum-&-Bass-Sound der etwas anderen Art eine eher zähe Angelegenheit: Das Konzert wird zu einem das Marschmusikalische liebenden Deklamationsevent zwischen Wut und Pathos. Eine elektrische Geige oder auch eine Mundharmonika sind da als zusätzliche Klangfarbentupfer äußerst willkommen, doch leider gelingt es Geigerin Shir-Ran Yinon nur selten, sich gegen den Bandsound durchzusetzen.

Frenetisch feiern die Fans ihre Helden

Dass die Feinstrukturen vieler Songs im LKA auf der Strecke bleiben, tut der Begeisterung freilich keinen Abbruch: Frenetisch feiern das Publikum seine Helden als „working class heroes“ und aufrechte Kerle des Anti-Establishments – zumal Sullivan der Menge mit langer, wehender Mähne und harsch gebellten Lyrics als eine Art Robin Hood des Indie-Rock das identitätsstiftende Gefühl gibt, einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten anzugehören.

Dieses Flair prägt schon seit frühen Karrieretagen die Aura dieser Band; inzwischen besitzt ein New-Model-Army-Konzert aber geradezu den Charakter einer „for members only“-Veranstaltung. Man muss schon langjähriges und heißblütiges Mitglied im Fanclub sein, um der oft ruppig-rauen, manchmal auch schwerfälligen Gangart der Band maximale Faszination abzugewinnen.