Gut zwei Wochen dauerte ein neues Festivalformat unter dem Motto „Express Yourself“. Knapp 2000 Besucher kamen in den Genuss vielerlei Musikstile. Die große Resonanz ermutigt die Macher zu einer Neuauflage im kommenden Jahr
Tuba or not to be? Ein ungewöhnlicher Konzerttitel – quasi die Blechbläserversion der existenziellen Frage Shakespeares: „Sein oder Nichtsein?“
Der wortkarge Schwabe könnte diesen Titel des Abschlusskonzerts des New Classical Music Festivals im Sparkassenforum Böblingen auch mit “Heilix Blechle” auf den Punkt bringen. Und in puncto Materialbeschaffenheit und Ausdrucksmöglichkeiten hätte er sogar recht: In der Tat wurden am Sonntagabend dem Blech, auch Tuba genannt, nicht ganz alltägliche Töne entlockt. Fabian Hanke, der Jüngste des New Classic-Quartetts, Hanke Brothers, das zugleich auch Veranstalter des gesamten Festivals war, demonstrierte eindrucksvoll, dass man mit dem riesigen Instrument, das vornehmlich für die Basslinien von (Blasmusik)-Orchestern vorgesehen ist, ein breites Spektrum von Tönen erzeugen kann.
In unterschiedlichsten Instrumentenzusammensetzungen und Musikstilen gab es Tuba-Hörgenuss – von strahlenden Klängen über Basslinien bis hin zu filigranen Melodien in schwindelnden Höhen. So konstatierte auch Oberbürgermeister Stefan Belz, der ebenfalls unter den Besuchern weilte, im Pausengespräch: „Das Instrument agiert ja meist im Hintergrund und es beeindruckt mich sehr, was man damit alles machen kann.“ Wenn die Tuba auch im Zentrum des Abends stand, so konnten die Gäste bei „Fabian Hanke & Friends“ noch weitere Meister ihres Fachs bestaunen; dazu zählten natürlich Fabians Brüder David (Blockflöten), Lukas (Viola) und Jonathan (Klavier), wie auch der langjährige Begleiter, Freund und „Bruder im Herzen“ der Hanke Brothers Nico Ellinger (Schlagzeug), Fabians Studienkollege der Musikhochschule Hannover Niels Madsen (Tuba) und die kurzfristig eingesprungene Pianistin Albertina Song (Klavier). Ursprünglich sollte ihren Part Maria Lebed ausfüllen, die krankheitsbedingt nicht dabei sein konnte. Song war jedoch weit mehr als eine Lückenbüßerin. Die Koreanerin räumte bereits zahlreiche internationale Preise ab und unterrichtet unter anderem an der Sindelfinger Musikschule.
Bereits nach dem freien Jazz-angehauchten Tuba/Schlagzeug-Konzertauftakt „Blackbird“ (McCartney) ließ sie in den drei Sätzen der Bruce Broughton-Sonate für Piano und Tuba ihre Finger über die 88 Klaviertasten tanzen. Unglaublich, dass das Duo erst am Nachmittag das Werk zusammen geprobt hatte, wie David Hanke dem Publikum verriet. Humorvoll und versiert führte der Flötist durch das Programm und kündigte mit Niels Madsen einen weiteren Tubisten an. Erlebte man bis dahin wozu ein einziger Tubist in der Lage ist, durften sich die Besucher des voll besetzten Saales nun auf „Tuba und Tuba“, begleitet vom Pianisten Jonathan Hanke, freuen. „Journey to LA“ (Christoph Reuter) wirkte zunächst wie ein lustiges Tuba-Vogelgezwitscher in den Ästen, bevor einer der beiden Vögel mit großem Plumps auf der Erde landete. Punktgenaue Breaks, eine überragende Dynamik, wie auch ein super Timing prägten diese wie auch andere Nummern.
Es geht wohl im kommenden Jahr weiter
Bei den nachfolgenden Stücken bedienten sich die wechselnden Formationen rockiger, jazziger, klassischer, tänzerischer sowie filmmusikalischer Elemente. Teil Zwei des Abends eröffnete Fabian mit einer „Traveltuba“, die in einen Reisekoffer passt. Mit dieser spielte er sich von den hinteren Reihen bis auf die Bühne hoch, wo sich Bruder Jonathan und Nico Ellinger zu ihm gesellten. „Lousiana” (John Azad) kam als New Orleans-Jazz daher. Das swingte ordentlich und traf offensichtlich auch den Nerv des Publikums. Der New Classical-Ansatz zeigte besonders bei einer vierhändigen Bachbearbeitung „Gott in der Höh“, leichthändig gespielt von Albertina Song und Jonathan Hanke; was es für zeitgemäße Ausdrucksmöglichkeiten alter Werke gibt. Gegen Ende des rund zweistündigen Konzertabends beglückten schließlich noch die Hanke Brothers ihr Publikum, bevor diese mit den musikalischen Freunden und zwei Zugaben endgültig das Finale des rundum gelungenen Festivals einläuteten.
Im anschließenden Interview mit David Hanke, zeigte sich dieser überaus glücklich und emotional ergriffen: „Die Besucherresonanz war eine Bestätigung, dass sich der Mut zum Risiko gelohnt hat. Immerhin ist die Organisation eines solchen Festivals auch aufwendig und mit hohen Kosten verbunden. Aber der Funke ist übergesprungen und das war nicht zu übersehen.“ Seiner Ansicht nach ist es gelungen, die „New Classical Music“ einem breiten Publikum schmackhaft zu machen und zusammen mit diesem, Musik als gemeinschaftsbildendes Element zu erleben. Man darf sich also schon auf eine Fortsetzung im kommenden Jahr freuen.