Die CDU versteht nicht, warum die Koalition so viele Schulden macht und sich gleichzeitig ein Finanzpolster zulegt. Foto: dpa

Fast 3,3 Milliarden Euro neue Kredite nimmt Grün-Rot in den nächsten beiden Jahren auf. Das wäre nicht nötig, meint die CDU, wenn die Koalition alle Spielräume nutzte. Stattdessen, so der Vorwurf, wolle sie das Geld ausgeben.

Stuttgart - Deckungslücken, Mehrausgaben, strukturelles Defizit: Ein Vokabular des Mangels hat in den vergangenen Wochen die Haushaltsdebatten im Landtag geprägt. Wortreich begründete Grün-Rot, warum an zusätzlichen Schulden von 3,3 Milliarden Euro in den nächsten beiden Jahren kein Weg vorbei geht.

Die CDU hat dies noch nie geglaubt und schon bei der Verabschiedung des Etats kurz vor Weihnachten auf Einsparmöglichkeiten verwiesen. Jetzt legt sie nach und zählt jene Vorratskammern auf, die Grün-Rot ihrer Ansicht nach nur ungenügend ausschöpft.

„Die geplante Kreditaufnahme könnte durch Überschüsse, durch Rücklagen, durch Steuermehreinnahmen und durch Spielräume bei den Personal- und Zinsausgaben deutlich abgeschwächt werden“, sagt Fraktionsvize Klaus Herrmann. Auf bis zu 1,4 Milliarden Euro addieren sich diese Polster nach Berechnung des CDU-Manns. Die Zahlen hat er sich per Antrag vom Finanzministerium beschafft.

Da gibt es zum Beispiel 131,1 Millionen Euro an Überschüssen aus dem Jahr 2011, die in der Etatplanung bisher noch nicht auftauchen. Auch die optimistische Steuerschätzung vom November ist noch nirgends berücksichtigt: Danach kann das Land 2012 mit netto (nach Abzug des Finanzausgleichs) 420 Millionen Euro plus gegenüber den alten Annahmen rechnen: „Früher war es üblich, diese Prognose in den Haushalt einzuarbeiten“, sagt Herrmann.

Steuerschätzung für 2013 und 2014 dürfte Miene von Finanzminister Schmid aufhellen

Andererseits musste das Land 2012 weniger Geld für seine Beamten aufwenden: „Insgesamt wird von Personalminderausgaben ausgegangen“, heißt es in der Stellungnahme des Ministeriums, die den „Stuttgarter Nachrichten“ vorliegt. Über die Höhe – theoretisch könnten es mehr als 300 Millionen Euro sein – lasse sich aber noch nichts sagen.

Positiv entwickelt haben sich im vergangenen Jahr auch die Zinsausgaben. Auch hierbei springe am Ende ein dreistelliger Millionenbetrag heraus, glaubt Herrmann. Die Steuerschätzung für 2013 und 2014 dürfte die Miene von Finanzminister Nils Schmid (SPD) ebenfalls aufhellen, denn er kann mit weiteren 79 beziehungsweise 232 Millionen Euro rechnen: Geld, das bisher noch nirgendwo auftaucht.

Auch das – mittlerweile gescheiterte – Steuerabkommen mit der Schweiz hätte nach Ansicht der CDU weitere Einnahmen gebracht und die Schuldenlast vermindert.

Doch diese Rechnung lässt das Finanzministerium nicht gelten. So sei derzeit keine Aussage darüber möglich, wie viel Geld tatsächlich aus dem vergangenen Jahr in der Kasse bleibt. Es gebe „zu viele Risiken und Unsicherheitsfaktoren“, teilt Schmid dem CDU-Politiker mit.

Vorsicht und Vorsorge

Das betont er vor allem mit Blick auf die optimistischen Steuerprognosen: Um das Geld fest einzuplanen, müsse man mindestens die Steuerschätzung vom nächsten Mai und den Ausgang noch nicht abgeschlossener großer Besteuerungsverfahren abwarten. Auch die finanziellen Auswirkungen eines höchstrichterlichen Urteils zur Besteuerung von Dividenden seien noch nicht absehbar, warnt Schmid.

Die Zinseinsparungen tastet er deshalb nicht an, weil derzeit noch die Anschlussfinanzierung für mehr als zwei Milliarden Euro Altkredite offen sind: „Die Finanzierungskonditionen sind noch nicht vereinbart.“ Und was die Personalkosten angeht, so müsse erst einmal abgewartet werden, ob die Behörden das zur Verfügung stehende Geld nicht für Sachausgaben verwendet haben – was in gewissem Umfang erlaubt ist.

Das Prinzip Eichhörnchen gründet in der Lesart von Grün-Rot also auf Vorsicht und Vorsorge. Doch das glaubt der CDU-Politiker Herrmann nicht: „Ich vermute, dass man im Nachtragshaushalt im Frühjahr nichts einspart, sondern Geld ausgibt – und das bringt man jetzt erst einmal auf die Seite.“ Ein Puffer in dieser Größenordnung sei zwar rechtlich zulässig, diene aber nicht der Haushaltsklarheit und -wahrheit.