Jetzt steht sie wieder am Pult: Stefanie Stegmann, die Leiterin des Stuttgarter Literaturhauses, bei einer ihrer kenntnisreichen Einführungen in den Abend. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Schlag nach bei den Großen: Nach dem Lockdown kehrt jetzt auch das Stuttgarter Literaturhaus wieder ins Kulturleben zurück.

Stuttgart - Nicht aufgeben, sondern auch unter widrigsten Umständen das Beste, Schönste, Originellste draus machen – das scheint in Stuttgart das heimliche Motto der Corona-Saison zu sein. Die Staatstheater werden für ihren Einfallsreichtum sogar in New York besungen und zum Vorbild für die ganze Welt erklärt. Und selbst wenn es das Literaturhaus womöglich nicht über den Atlantik schafft, treibt auch dort die Fantasie herrlichste Blüten und schmückt das notwendig gewordene, bis ins Detail ausgetüftelte Wegesystem mit Zitaten der Weltliteratur aus. Unterm Abstandspiktogramm etwa meldet sich Kurt Tucholsky: „Ich sah sie an, und sie gab den Blick zurück. Wir fassten uns mit den Augen bei den Händen.“

Diese doch etwas andere Kontaktaufnahme kann jetzt eingeübt werden: An diesem Montag kommt es zum analogen, mit Augen und Händen versehenen Neustart des von Stefanie Stegmann geleiteten Literaturhauses. Mit digitalen Angeboten war es auch während des Lockdowns präsent, aber um 19 Uhr betritt nun wieder eine leibhaftige Autorin die Bühne: Monika Helfer stellt ihren autobiografischen Roman „Die Bagage“ vor, die mit Wucht erzählte Geschichte einer Bergdorfkindheit in Österreich. Weil virusbedingt nur 37 Plätze zur Verfügung stehen, ist die zusammen mit dem SWR veranstaltete Lesung rasch ausverkauft gewesen, aber der Sender strahlt das Ganze am 23. Juni in seinem Abendprogramm aus.

Einladend wie ein Bistro

„Mit meiner Berufserfahrung bin ich eigentlich ein gewiefter Hase“, sagt Stefanie Stegmann, „aber dieser Neuanfang ist auch für mich aufregend.“ Zaghaft und beherzt zugleich wolle sie ihn angehen, mit aller Sorgsamkeit, aber auch mit dem entschiedenen Willen, das Literaturhaus wieder zu einem Ort der Begegnung und Vermittlung zu machen, jenseits aller „aseptischen Kühlschrankatmosphäre“. So steht neben jedem der 37 Stühle beispielsweise ein Tischlein für Getränke, einladend wie in einem Bistro und passend zu einem anderen Piktogramm-Kommentar: „Dieser Abstand“, schreibt der norwegische Erzähler Tomas Espedal, „ist die größte Nähe, die es zwischen uns gibt.“

Nach Monika Helfer an diesem Montag erwartet Stefanie Stegmann im Juni noch weitere Gäste, am Donnerstagmorgen um 11 Uhr Martin Schäuble mit dem Jugendroman „Sein Reich“ und dann, in der Woche darauf, mehrere Hochkaräter: Am Mittwoch, 24. Juni, unterhält sich der aus Somalia stammende, in Kapstadt lebende, wegen der Pandemie aber nur per Videoschalte präsente Nuruddin Farah mit dem leibhaftig anwesenden Ilija Trojanow – und am Tag darauf, Donnerstag, 25. Juni, die Kulturwissenschaftlerin Barbara Vinken mit dem Osteuropahistoriker Karl Schlögel, der seine spannende Parfümstudie „Der Duft der Imperien“ vorstellt. Also Gelegenheit genug, sich mit den Augen wieder bei den Händen zu fassen.