Spanier sind coole Typen- und zeigen nur selten Emotionen. Vielleicht beim Stierkampf. Foto: dpa

Deutsche Zuschauer arbeiten hart für eine Zugabe. Spanier klatschen nicht – und gehen früher heim. Doch neulich hat Korrespondent Martin Dahms dann doch in der Madrider Oper etwas Unerwartetes erlebt.

Madrid - Peter Ustinov erzählte mal von einem Auftritt in Spanien, bei dem er so lautstark bejubelt wurde, dass er verzweifelt ausrief: „Da fallen mir ja die Ohren ab!“ Woraufhin einer aus dem Publikum geantwortet habe: „Besser als der Schwanz!“ Recht hatte er, fand Ustinov.

Mir fällt es schwer, diese Anekdote zu glauben. Die Spanier jubeln nicht. Höchstens im Fußballstadion. Aber nicht, wenn sie sich in einen Theater- oder Konzertsaal setzen. Schon gar nicht, wenn das Spektakel zu Ende ist. Sobald die Lichter angehen, stellt auch der letzte Klatscher den Applaus ein und schließt sich dem Rest des Publikums an, das schon zur Hälfte den Zuschauerraum verlassen hat. Irgendetwas Dringendes wartet da draußen auf sie.

In Deutschland ist das ganz anders

Das kenne ich aus Deutschland anders. Zu meinen Jugenderinnerungen gehört das BAP-Konzert in der Stadthalle von Göttingen, als wir der Band mit unserem Beifall sieben Zugaben abtrotzten. Und dann der Auftritt von Herman van Veen in der Frankfurten Alten Oper. Die Roadies bauten schon die Instrumente auf der Bühne ab, und wir klatschten immer noch, bis van Veen rauskam und eine letztes Lied a cappella sang. Da waren wir endlich zufrieden.

Meine erste Konzerterfahrung in Spanien war ein Freiluftauftritt von David Bowie in Gijón an der spanischen Nordküste. Wir waren eine Gruppe Deutscher, begleitet von unserem Spanischlehrer Chema. Wir tanzten, sangen, grölten, klatschten und fanden die Spanier rings um uns herum ziemlich langweilig. Das wurde bei späteren Konzerten nicht besser. Was die Spanier gar nicht können, ist Zugaben einfordern. Das braucht ein bisschen Beharrlichkeit. Aber die Leute legen die Hände in den Schoß und warten darauf, dass die anderen die Arbeit machen. So geht das nicht.

Spanier sind hartnäckig unterkühlt

Wenn ausländische Musikkritiker nach Spanien kommen, um über eine Uraufführung oder die Neuinszenierung einer Oper zu berichten, schreiben sie hinterher meistens, das Publikum sei eher nicht so begeistert gewesen. Sie kennen eben die Spanier nicht. Vor allem nicht das Publikum des Madrider Teatro Real. Das ist hartnäckig unterkühlt, mag es eine Philip-Glass-Premiere erleben oder „Così fan tutte“ unter der Regie von Michael Haneke. Neulich brachte Sasha Waltz ihre Choreografie zu Stravinskys „Sacre du printemps“ nach Madrid. Selten hat mich ein Ballett derart ergriffen. Die Musik klang noch eine Stunde später in mir nach. Der Applaus war dürftig.

Vielleicht habe ich Pech. Vielleicht verstehe ich nichts von Musik. Die konzertante Aufführung einer zeitgenössischen Oper vor kurzem hat mich schwankend gemacht. Das Werk hieß „Written on Skin“, der Komponist George Benjamin. Die Sänger arbeiteten sich wie Zirkusartisten durch unmögliche Arien, das Orchester spielte vielversprechende Fragmente, die es nach wenigen Takten wieder fallen ließ. Und das Publikum jubelte. Einige standen auf, riefen Bravo, und nur ein paar Banausen hatten es eilig, den Saal zu verlassen. Wenn sie wollen, können Spanier klatschen. Aber meistens wollen sie nicht.