Die Freien Wähler starten mit harten Themen ins Jahr (von links): Fraktionschef Axel Röckle, Alt-Landrat Bernhard Maier, Klinikverbund-Chef Alexander Schmidtke, Stadtverbandschef Stephan Schwarz und die Vorstandsmitglieder Ariane Metz und Manuel Frey. Foto: Simon Granville

Alexander Schmidtke, der neue Chef des Klinikverbundes, betont, dass angesichts eines drohenden 60-Millionen-Defizits nun eine Trendwende gelingen müsse. Alt-Landrat Maier warnt derweil vor einer einseitigen Verkehrspolitik.

Mitte Dezember,der Winter war ausgebrochen, machte sich Bernhard Maier mit der Bahn auf dem Weg von Malmsheim nach Stuttgart zur Regionalversammlung. Die Hinfahrt zur Sitzung verlief für den Regionalrat der Freien Wähler einwandfrei, der Rückweg hatte Abenteuercharakter: Die S-Bahn nach Weil der Stadt fuhr nicht wie üblich von der Stuttgarter Schwabstraße aus, sondern erst ab Zuffenhausen und endete ohne Vorwarnung in Renningen. Den Rest des Weges nach Malmsheim absolvierte der frühere Landrat im Schneetreiben zu Fuß und sah dabei, wie der leere Zug an ihm vorbeifuhr – in Richtung Malmsheim.

„Da hilft auch kein 49-Euro-Ticket“

Bernhard Maier erzählt die Anekdote beim Neujahresempfang der Leonberger Freien Wähler im Amber-Hotel. Seine Botschaft: Ohne einen reibungslos funktionierenden Nahverkehr sind alle Bemühungen vergebens, die Menschen zum Umstieg in Bus und Bahn zu bewegen. Da helfe auch kein 49-Euro-Ticket.

Der frühere Landrat und einstige Bürgermeister von Renningen ist einer von zwei Rednern bei den Freien Wählern, die mit großer Resonanz ihre Jahresanfangstradition wieder aufleben lassen. Der große Hotelsaal ist voll. Der Stadtverbandsvorsitzende Stephan Schwarz begrüßt etliche Ehrengäste, darunter Alt-OB Bernhard Schuler.

Nur fünf Prozent auf dem Rad

Die Vorträge der hochkarätigen Referenten umrahmt das Duo Stadtkind mit lockerer Musik. Alexander Schmidtke ist da, der neue Geschäftsführer des Klinikverbundes. Und eben Bernhard Maier. Der Verkehrsexperte der Freien Wähler nimmt den grünen Zeitgeist in Sachen Mobilität auseinander. „Wir müssen aufpassen, dass wir den Ast, auf dem wir sitzen, nicht selber absägen“, sagt er mit Blick auf die von der Autoindustrie geprägte Region. Maier wirbt für Technologieoffenheit: „Eine einseitige Festlegung auf E-Autos führt in die Sackgasse.“

Dass die Deutschen binnen weniger Jahre zu einem Volk der Bus- und Radfahrer werden könnten, das bezweifelt der einstige Landrat: „70 Prozent aller Fahrten finden mit dem Auto statt, 25 Prozent mit dem Nahverkehr und nur fünf Prozent mit Fahrrad.“ Das Ziel eines Radanteils von 25 Prozent erscheine auch angesichts ständig steigender Zulassungszahlen unrealistisch. Maier plädiert für eine Verkehrspolitik, die „nicht auf dem Auge Individualverkehr blind bleibt.“ Um Menschen vom Lärm zu entlasten seien Umgehungsstraßen hilfreich. Maier verweist auf jene in Rutesheim, Renningen und Weil der Stadt. Und er wirbt für einen Nordost-Ring: „Fahren Sie heute mal von Leonberg nach Waiblingen, der Weg führt Sie immer in den Stau durch die Stuttgarter Innenstadt.“

Unabhängig davon sei die S-Bahn das Rückgrat des Nahverkehrs mit (in Vor-Corona-Zeiten) täglich 400 000 Fahrten. In der Stärkung der S-Bahn sieht Maier die besten Chancen, den Autoverkehr zu reduzieren. Aber: „Ein Umstieg gelingt nur mit Verbesserung der Qualität, nicht mit dem Preis.“

Das Defizit bewegt sich in Richtung 60 Millionen Euro

Nicht minder komplex ist das Thema des Geschäftsführers des Klinikverbunds Südwest: Nicht nur dem kommunalen Zusammenschluss der Krankenhäuser geht es schlecht, sondern der ganzen deutschen Kliniklandschaft. Alexander Schmidtke führt das auf das Finanzierungssystem, den Trend zur ambulanten Behandlung, den akuten Personalmangel und auf die Corona-Folgen zurück. Der Neujahrsempfang ist der erste öffentliche Auftritt des Gesundheitsmanagers in Leonberg. In den 45 Tagen, die er im Chefsessel sitzt, hat er festgestellt: Das Gesamtdefizit aller Häuser bewegt sich kontinuierlich in Richtung 60 Millionen Euro.

Doch es gibt Positives: Die Träger, also die Landkreise Böblingen und Calw, bekennen sich zu ihren Kliniken. „Die Aufgabe ist nun eine Trendwende“, sagt Schmidtke. Bei seinem früheren Arbeitgeber, einem Klinikverbund im oberfränkischen Coburg, hat er sie geschafft. Im Südwesten dürfte sie ungleich schwerer zu bewerkstelligen sein. Ohne gravierende Änderungen, daran lässt der Manager keinen Zweifel, wird es nicht gehen. Die Leonberger Klinik, auch das unterstreicht Schmidtke, habe auf jeden Fall eine Zukunft: „Es braucht eine vernünftige Versorgung.“ Die Zahlen sprächen für Leonberg. „In der Notaufnahme sind die Zahlen von 20 000 auf 27 000 Patienten gestiegen.“ Wie freilich das Krankenhaus in einigen Jahren aussehen wird, das vermag Schmidtke nicht zu sagen.