Korntaler und Münchinger zeigen sich beim Neujahrsempfang stimmgewaltig. Foto: Simon Granville

Der Korntal-Münchinger Neujahrsempfang steht im Zeichen des Bürgerengagements. Vor allem im Jubiläumsjahr offenbar eine im Rathaus gern gesehene Tugend.

Was John F. Kennedy und der chinesische Philosoph Laotse mit Korntal-Münchingen zu schaffen haben? Ganz einfach: Beide Männer nehmen zu ihrer Zeit den Bürger in die Pflicht, wenn es darum geht, den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen. Das ist so universell, dass es logischerweise auch für die Doppelstadt im Strohgäu gelten muss.

 

Bevor Bürgermeister Alexander Noak (parteilos) zu der großen Frage kommen kann, wie das Gemeinwesen am besten funktioniert, nimmt das Händeschütteln bei seinem zweiten Neujahrsempfang einige Zeit in Anspruch. Was muss, das muss.

Frei nach Kennedy: „Fragt, was ihr für euer Land tun könnt!

Mit einer halben Stunde Verzug zieht der Rathauschef in der mit rund 400 Gästen nicht voll besetzten Korntaler Festhalle keinen Geringeren als den früheren US-Präsidenten Kennedy heran, um seiner Botschaft Gewicht zu verleihen. Der hatte vor rund 64 Jahren bei seiner Antrittsrede mit einem Satz Furore gemacht: „Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt!“

Ein solcher Appell sei heute wieder legitim, betont Noak in seiner rund viertelstündigen Ansprache. Die Herausforderungen in der Wirtschaft, im Klima- und Umweltschutz, in der Gesellschaft und im globalen Zusammenspiel seien „so groß und mächtig, dass wir diese nur gemeinsam, mit einem starken Zusammenhalt und als Einheit bewältigen können“, so der Bürgermeister.

Die Neujahrsrede droht zeitweise, zu theorielastig zu werden

Mitverantwortung heißt also die Devise. Und die bedeute eben „nicht nur, für das verantwortlich zu sein, was man tut, sondern gerade auch für das, was man unterlässt“, sagt Noak und greift damit eine Weisheit auf, die der Chinese Laotse schon vor rund 2500 Jahren kundgetan hat.

Fast droht die zweite Neujahrsrede des Bürgermeisters an dieser Stelle einen Tick zu theorielastig zu geraten. Die Kurve bekommt der Rathauschef dann aber mit seinem Konzept des „Alltagsvorbilds“, das greifbarer ist: „Es sind die kleinen, aber wichtigen Handlungen, die Wirkung entfalten“, sagt Alexander Noak: den Müll korrekt entsorgen, sein Auto nicht wild parken, dem Nachbarn unter die Arme greifen oder sich gegen Hass und Hetze stellen.

Rettung der Kinderarztpraxis nur durch Mithilfe der Bürger

Als konkretes Beispiel eines geglückten bürgerschaftlichen Engagements nennt der Bürgermeister die Rettung der örtlichen Kinderarztpraxis im vergangenen Jahr, deren Existenz nur „durch aktive Mithilfe und Spendenbereitschaft“ gesichert werden konnte. Und auch bei der Hort- und Kernzeitbetreuung hätten Eltern und Stadt in Korntal-Münchingen vorbildlich zusammengearbeitet. Stichwort: Fachkräftemangel.

Dass vor 50 Jahren, am 1. Januar 1975, die beiden bis dahin unabhängigen Gemeinden Münchingen und Korntal eine „nicht ganz freiwillige“ Ehe eingehen mussten, mit der Folge des nun anstehenden Stadtjubiläums, thematisiert Noak erst im zweiten und kürzeren Teil seiner Rede. Zuvor hatten der Chor Korntal, der Liederkranz Münchingen sowie die Reifenakrobatin Liz Höser ihre von großem Applaus begleiteten Auftritte.

Eine Ausstellung und ein Festakt stehen auf dem Programm

Ein Schelm, der Böses dabei denkt, dass der Rathauschef zuerst die Eigeninitiative der Bürger in den Fokus rückt, um dann die „goldene Hochzeit“ der Stadtteile zu preisen. Denn im Fall der Ausgestaltung des anstehenden Jubiläums ist der ehrenamtliche Einsatz der Bürgerschaft und der Vereine in Korntal-Münchingen schon deshalb dringend geboten, weil sich die Stadtverwaltung selbst erst spät im vergangenen Jahr – manch einer meint, zu spät – an die Erarbeitung eines Jubiläumskonzepts gemacht hat. Auch hier fehlten Personalressourcen.

Appell an die Eigenverantwortung: Bürgermeister Alexander Noak Foto: Simon Granville

Bisher stehen lediglich eine Ausstellung im Heimatmuseum Münchingen sowie der Festakt am 25. Oktober auf dem Programm. Die Stadt hatte aus diesem Grund vergangenen November kurzfristig einen mit 50 000 Euro gefüllten „Machmehrdraus-Topf“ bereitgestellt, an den Noak am Sonntag nochmal nachdrücklich erinnert.

Für das Jubiläumsjahr stehen im Haushalt 100 000 Euro bereit

Aus diesem sollen sich nun „ehrenamtliche Organisationen“ bedienen, um weitere Feste und Aktionen rechtzeitig auf die Beine zu stellen. Die Bewerbungsfrist laufe noch bis 2. Februar. Insgesamt stehen für das Jubiläumsjahr im Haushalt 100 000 Euro bereit. Wie im vergangenen Jahr zeigt die Stadtverwaltung beim Neujahrsempfang auch dieses Mal ein selbst erstelltes Video. Thema: Die Neuorganisation der Verwaltung. Diese sei für Noak nach seiner Amtseinführung vor mehr als einem Jahr „eine der ersten und dringendsten Veränderungen“ gewesen. Ziel war, die Verwaltung effizienter aufzustellen. Auch hier dürften Personalmangel und die schwierige finanzielle Situation der Kommune maßgebliche Treiber gewesen sein.

Unter anderem wurde den technischen Ämtern in Rahmen der Neustrukturierung ein Leiter in Person des Technischen Beigeordneten Kai Langenecker vorangestellt. Auch die Einrichtung einer eigenen Recruiting-Stelle zur Personalbeschaffung sowie die eines Grünflächenmanagers seien Teil der Reform, erfahren die Gäste des Neujahrsempfangs. Zudem wurden die Bereiche Integrationsmanagement und Jugendarbeit getrennt und der Bauhof neu strukturiert.