Beim Neujahrsempfang müssen Jürgen Zieger und seine Frau Angela viele hundert Hände schütteln. Foto: Ines Rudel

Beim Neujahrsempfang der Stadt im Kultur- und Kongresszentrum Neckar Forum beschwert sich Oberbürgermeister Jürgen Zieger über mangelnde Unterstützung von der Bundes- und Landesregierung sowie vom Landkreis. Er wählt etwas mildere Worte.

Esslingen - „Oiner isch emmer d’r Arsch“: Mit dem schwäbischen Rockklassiker von Schwoißfuaß, interpretiert von Ensemblemitgliedern der Württembergischen Landesbühne (WLB), ist am Montag der offizielle Teil des Neujahrsempfangs der Stadt Esslingen zu Ende gegangen. Rund 700 Bürgerinnen und Bürger waren gekommen, um sich vom Oberbürgermeister Jürgen Zieger bei der traditionsreichen Veranstaltung im Kultur- und Kongresszentrum Neckar Forum auf das kommunalpolitische Jahr 2018 einstimmen zu lassen.

Derb, aber nicht ganz unpassend

Der Abschlusssong, Teil der aktuellen WLB-Komödie „Die Kirche bleibt im Dorf“, ist zwar ein bisschen derb und despektierlich. So ganz unpassend ist er nicht. Denn die Erkenntnis, dass „oiner emmer d’r Arsch isch“, hat Jürgen Zieger nicht nur beim vom Bund proklamierten Ausbau der digitalen Infrastruktur in den Schulen gewonnen. Zieger hat es ein wenig feiner ausgedrückt: Die von der Bundesregierung dafür zugesagten Milliarden hätten sich „bisher als Fata Morgana“ erwiesen. Auch das Land verhandele in dieser Sache mit dem Städtetag „nur krämerseelenhaft“. Dabei, so der Oberbürgermeister, sei „die Investition in die Möglichkeit digitalen Unterrichts eine Basisanforderung im harten internationalen Wettbewerb“.

Dieser Wettstreit gebiete es auch, Flächen bereitzustellen, auf denen Arbeitsplätze für die digitale Revolution geschaffen werden könnten. Das Ringen um die Ausweisung solcher Baugebiete sei kein Kapitel aus dem Buch „Wie man neue Freunde gewinnt“. Aber der Kampf sei notwendig, um Arbeitsplätze zu schaffen, „die uns, unseren Kindern und Enkeln ermöglichen, ihren Lebensunterhalt zu sichern und zur Nachhaltigkeit der Gesellschaft beizutragen“. Dazu gehöre es auch, Daimler als größten Arbeitgeber Esslingens zu unterstützen. Er, Zieger, befürworte den Bau einer Batteriefabrik in Mettingen. Das sei nicht ganz einfach, denn „wundersame Baulandvermehrung gibt es leider nur im Märchen und auf Parteitagen“.

Ein klares Votum gegen Fahrverbote

Von den drohenden Fahrverboten hält Zieger „gar nichts“. Sie benachteiligten ökonomisch schwächere Haushalte, weil sich nicht alle Menschen einfach ein neues Auto leisten könnten. Esslingen gehe lieber „konsequent den Weg in die Elektromobilität“ weiter. Dabei hoffe Esslingen „gleichermaßen demütig und inständig auf Unterstützung aus der angekündigten Milliardenförderung des Bundes“.

Ein wichtiges Thema ist für Zieger der Wohnungsbau. Auch hier seien die Förderprogramme von Bund und Land bei weitem nicht ausreichend, um die Probleme in wirtschaftlich florierenden Ballungsräumen wie in der Region und in Esslingen zu lindern. Trotz des vorbildlichen Esslinger Wohnraumversorgungskonzepts, an dem alle Beteiligten auf dem Wohnungsmarkt mitwirkten, sei eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt nicht in Sicht.

Einen Beitrag zu bezahlbaren Mieten könne auch der Flächennutzungsplan leisten, der noch in diesem Jahr nach langwierigen Diskussionen und gegen viele Widerstände aus der Bevölkerung fortgeschrieben werden soll. Der vorliegende Entwurf sei, so Zieger, „eine gute Geschäftsgrundlage für die räumliche Entwicklung Esslingens in den nächsten 20 Jahren“ – zumal sich Esslingen auch der Integration von insgesamt rund 1200 Menschen auf der Flucht stellen wolle. Ziegers Fazit klingt irgendwie vertraut: „Die uns von Bund, Land und Landkreis zur Verfügung gestellten Mittel reichen dazu bei weitem nicht aus.“

Wie heißt es bei Schwoißfuaß doch so schön? „Oiner isch emmer d’r Arsch“. Nicht nur einmal hat Jürgen Zieger in seiner Rede deutlich gemacht, dass die Auswahl des Abschlusslieds aus kommunaler Sicht den Nagel auf den Kopf getroffen hat.