Gabriele Zull und ihr Mann Martin beim Defilee zum Neujahrsempfang. Foto: Eva Herschmann

Oberbürgermeisterin Gabriele Zull nimmt beim Neujahrsempfang der Stadt Fellbach mit mehr als 800 Gästen in der Schwabenlandhalle Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren in den Fokus.

Fast eine Stunde lang hat Gabriele Zull am Sonntag Hände geschüttelt. Die Schlange der Gratulanten, die der Fellbacher Oberbürgermeisterin und ihrem Gatten Martin alles Gute für 2025 wünschen wollten, wand sich durchs Foyer der Schwabenlandhalle und die Treppe hinauf bis zum Eingang des Hölderlinsaals. Alle reihten sich ein: die Bundestagsabgeordneten Christina Stumpp und Stephan Seiter, Staatssekretär Siegfried Lorek, die Landtagsabgeordnete Julia Goll, Landrat Richard Sigel, Landtagsabgeordnete, Gemeinderäte, Vereinsvorsitzende oder der Polizeipräsident Reiner Möller. Der städtische Neujahrsempfang ging folglich mit etwas Verzögerung über die Bühne – für den ausführlichen Blick auf die Jugend und die Zukunft blieb dennoch ausreichend Zeit.

 

Es ist normal, dass bei Neujahrsempfängen zurückgeblickt und an Erfolge erinnert wird. Auf dem vom Sinfonischen Jugendblasorchester der Musikschule Fellbach mit Filmmusik und Tanzgruppen vom Messenger Studio umrahmten Neujahrsempfang in Fellbach, war jedoch keine Rede von den 98,7 Prozent Zustimmung, die Gabriele Zull bei ihrer Wiederwahl zur Rathauschefin im September erreicht hatte. „Wir wollen stattdessen wieder bewusst einen gezielten Impuls für das neue Jahr setzen und haben dafür die Jugend in den Mittelpunkt gestellt“, sagte die OB.

Nur knapp 1800 Fellbacherinnen und Fellbacher – keine vier Prozent der Stadtbevölkerung – sind zwischen 14 und 17 Jahre alt. Auch bei der Veranstaltung im Hölderlinsaal waren Jugendliche in der Minderheit. Und da „eine durchsetzungsfähige Lobby der jungen Generation nicht immer vorhanden ist“, macht sich Gabriele Zull für sie stark. Denn der Wille, sich zu engagieren, sei unter Jugendlichen stark ausgeprägt. Und wenn sie sich durch das Elternhaus und die Gesellschaft nicht ausreichend unterstützt und alleingelassen fühlten, müsse dem durch Beteiligungsformate entgegengewirkt werden, erklärte Fellbachs OB. „Es gibt nicht den einen Weg, der zum Ergebnis führt – sondern Hunderte von Alternativen. Letztendlich geht es aber immer um die Haltung, mit der wir jungen Menschen begegnen und um den Willen, diese aktiv an der Gestaltung der Stadtgesellschaft zu beteiligen.“ Schließlich sei es „die Generation, die künftige Krisen lösen, Länder führen, Politik gestalten, Innovationen hervorbringen und Demokratien und Rechtssysteme bewahren oder zerstören wird“, zitierte Gabriele Zull die gemeinnützige Plattform „FairPlanet“.

Wie ticken 14- bis 17-Jährige?

Welche Wertvorstellungen und Zukunftserwartungen Jugendliche haben, weiß Peter Martin Thomas. Der Institutsleiter des Praxisinstituts für systemische Beratung hat lange Jahre die renommierte Sinusstudie begleitet, in der alle vier Jahre aufgezeigt wird, wie 14- bis 17-Jährige ticken. Jugendliche erlebten ihren Alltag „inmitten von multiplen Krisen“ wie Pandemie, Naturkatastrophen oder Kriege, die sich sowohl auf ihre psychische als auch auf ihre physische Gesundheit auswirkten, so Thomas.

„Die Jugend“ gebe es nicht, erklärte Peter Martin Thomas. Größere Zugehörigkeiten seien aber erkennbar, etwa zu den Traditionell-Bürgerlichen, die „bescheiden, heimatorientierte Familienmenschen mit starker Bodenhaftung“ seien. „Die engagieren sich in Vereinen und werden Fellbach wohl nie verlassen.“ Oder zu den „Expeditiven“, den erfolgs- und lifestyleorientierten Networkern, die neue Grenzen und Erfahrungen suchen. „Denen ist Fellbach, wahrscheinlich auch Stuttgart, zu klein.“ Die größte Gruppe unter den Jugendlichen stellten die „Adaptiven“, die sich stets der Norm anpassten. Ergo, es sei „eine Generation mit vielen Lebenswelten“, erklärte Thomas. Die Betonung von sozialen und humanistischen Werten, der Wunsch nach Leistung, Selbstbestimmung, Halt und Orientierung sowie der zur Mitwirkung, sei jedoch in allen Gruppen groß. Zugleich aber fremdelten viele mit der Politik und fühlten sich ohnmächtig.

Vielleicht macht das Leuchtturmprojekt, das an drei Tagen im Februar im Gustav-Stresemann-Gymnasium in Fellbach-Schmiden geprobt wird, Mut. Denn die Schülerinnen und Schüler organisieren ihre „Schule als Staat“ – mit allem drum und dran, von Regierung bis Müllabfuhr. „Und Gäste brauchen ein Visum, aber es gibt ein Tourismusbüro“, sagte GSG-Direktor Daniel Meier.