Das James Webb Space Telescope in einer Computerzeichnung: Im Oktober 2018 soll es mit einer Ariane-Rakete in den Weltraum geschossen werden. Foto:  

Jeder, der sich für den Weltraum interessiert, kennt die faszinierenden Bilder , die das Hubble-Teleskop seit 1990 zur Erde funkt. An seinem Nachfolger, dem James Webb Space Telescope, wird seit Jahren gebaut. Es soll noch tiefer in die Vergangenheit blicken.

München - Nein, wie ein Teleskop sieht das fliegende Superauge James Webb Space Telescope (JWST) überhaupt nicht aus. Auf den Computerzeichnungen ähnelt es eher einem überdimensionalen Surfbrett, auf das ein goldenes Segel montiert wurde. Sein Vorgänger, das Hubble-Weltraumobservatorium, erinnert dagegen tatsächlich an ein gigantisches Fernrohr, das seine Optik in die Tiefen des Universums richtet.

Das neue Weltraumobservatorium JWST schlägt Hubble um Längen. Es sei „eine Zeitmaschine für Reisen in die Anfänge des Universums“, sagt Mark McCaughrean, Projektleiter beim Raumfahrtkonzern Astrium, der für das Teleskop wichtige Instrumente liefert. JWST kann mehr als 13 Milliarden Jahre zurückblicken, in die Zeit kurz nach dem Urknall, der nach gängiger Theorie als Ursprung des Universums angenommen wird. In einer Detonation, gewaltiger als alles, was sich ein Mensch vorstellen kann, entstanden Raum, Materie und Zeit. Das James-Webb-Observatorium, ein gemeinsames Projekt der Amerikaner, Europäer und Kanadier, soll die ersten Lichtstrahlen nach dem Urknall aufspüren, aber auch erforschen, wie Planetensysteme und Milchstraßen geboren wurden. Etwa die Ansammlung von Himmelskörpern rund um unsere Sonne, zu denen die Erde gehört.

Eines der vier Instrumente, die das möglich machen, ist NIRSpec. Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich eines der modernsten Spektrometer, die jemals gebaut wurden. NIRSpec bedeutet Near Infrared Spectrograph. Auf Deutsch etwa: Spektrometer für den nahen Infrarotbereich. Infrarotes Licht wird auch als Wärmestrahlung bezeichnet. Es ist für den Menschen nicht sichtbar. Aber jedes Objekt, gleichgültig ob kleine Kerzen oder riesige Sonnen, gibt infrarote Strahlung ab. Spektrometer zerlegen Strahlung in ihre einzelnen Bestandteile. So wie man bei einem Regenbogen verschiedene Farben am Himmel sieht, können Spektrometer in jeder Form des Lichts, also auch im infraroten, die verschiedenen Bereiche untersuchen. So lässt sich herausfinden, aus welchen chemischen Elementen ein Planet oder eine Sonne aufgebaut ist.

Selbst winzige Staubkörner sind gefährlich

Eine High-Tech-Apparatur wie NIRSpec, das nach dem Bau in Taufkirchen bei München nun den Weg in die USA antritt, gibt es nicht von der Stange zu kaufen: Bis zu 70 Ingenieure waren mit dem Spürhund aus Keramik und Metall beschäftigt. Neun Jahre Entwicklung und etwa 90 000 Stunden Arbeitszeit stecken in dem 230 Kilogramm schweren und 160 Millionen Euro teuren Instrument, das die Außenmaße einer Telefonzelle hat. In der High-Tech-Schmiede von Astrium arbeiteten Spezialisten unter Bedingungen wie in einem Reinraum einer Computerchip-Fertigung. Jedes noch so winzige Staubkorn, das in die komplizierte Mechanik gerät, könnte das Aus für die Mission bedeuten.

Eine weitere Herausforderung: NIRSpec muss bei Schwerelosigkeit und Temperaturen von minus 235 Grad perfekt funktionieren. Gebaut wird es jedoch am Boden – bei normaler Erdanziehungskraft und angenehmen 20 Grad. Mehrfach wurde das Superspektrometer auf minus 235 Grad herabgekühlt, um den harten Alltag im Weltraum zu simulieren. Eine Prozedur, die drei Wochen in Anspruch nahm, um die empfindliche Technik nicht zu beschädigen.

Noch mehr als fünf Jahre vergehen, bis die Astronomen die ersehnten Daten des NIRSpec und des James-Webb-Observatoriums auf ihren Rechnern haben werden. Erst im Oktober 2018 wird der Hubble-Nachfolger ins All geschossen. Mindestens sechs Monate dauert es, ehe das fliegende Superauge sein Einsatzgebiet in 1,5 Millionen Kilometer Entfernung von der Erde erreicht hat. An diesem sogenannten Lagrange-Punkt kann es ungestört vom Einfluss der Sonne oder der Erde das Universum durchleuchten.

Sollte allerdings ein Defekt das Wunderwerk der Wissenschaft lahmlegen, wäre die 6,6 Milliarden Euro teure Investition verloren. Eine Reparatur ist wegen der großen Distanz ausgeschlossen. Bei Hubble war das anders: Im Mai 2009 brachten Astronauten die Optik des Weltall-Fernrohrs in einem riskanten Außeneinsatz auf Vordermann.

www.jwst.nasa.gov