Ein Hochseilgarten ist in „Wolf“ von Sasa Stanisic ein Ort mit besonderem Gefahrenpotenzial. Foto: Carlsen/Regina Kehn

Zwei Jugendbücher von Sasa Stanisic und Eloy Moreno lassen mitfühlen, was Ausgegrenztsein und Mobbing mit Betroffenen machen.

Schwerer Stoff, den sich Sasa Stanisic und Eloy Moreno in ihren Büchern für junge Menschen vorgenommen haben. Dem deutsch-bosnischen Schriftsteller und seinem spanischen Kollegen geht es darum, für die Mechanismen von Mobbing zu sensibilisieren. Fein beobachtet ist sowohl in Stanisics „Wolf“ als auch in Morenos „Unsichtbar“, wer warum Opfer wird. Beide Romane unterstreichen mit einem namenlosen Erzähler, dass jeder gemeint sein könnte. Beide lassen sich als Aufforderung lesen, Warnzeichen ernst zu nehmen und zu handeln, statt wegzuschauen.

Wie die Autoren das Thema angehen, könnte aber unterschiedlicher nicht sein. Wo der eine auf Humor setzt, nimmt der andere uns mit in einen emotional so dicht gewirkten Thriller über Demütigungen, die in einem Suizidversuch münden, dass eine Triggerwarnung auf den ersten Seiten nicht verwundert hätte.

Auf den hinteren Plätzen der Beliebtheitsliste

„Ich heiße Kemi, übrigens.“ Mit diesem letzten Satz verabschiedet sich Sasa Stanisics Erzähler ins Happy-End: Die Woche Ferienlager im Wald hat der Junge wider eigenes Erwarten ausgehalten. Am Ende ist Kemi, der Sätze sagte wie „Ich finde Bäume nur als Schrank super“ und der bei Natur vor allem an Zecken und Mücken denkt, sogar ein bisschen offener gegenüber Aktivitäten im Freien.

Klar, ein Junge, der gern liest und sich Ausflügen mit altklugen Argumenten entzieht, landet auf der Lager-Beliebtheitsliste nicht weit vorn. Und so bleibt Kemi bei der Aufteilung der Schlafplätze ebenso übrig wie Jörg, der super zeichnen, aber nicht so locker draufsein kann. „Jörg ist wie alle eigen und wie alle anders, er wird aber von den anderen noch mal andersiger gemacht, verstehst du?“, beobachtet Kemi an seinem Hüttengenossen auch das eigene Ausgegrenztsein.

„Wolf“ spricht auch Erwachsene an

Schnell haben der fiese Marko und sein Trupp die beiden „Andersigen“ auf dem Kieker. Die Dynamik der Gruppe, die Überforderung der Erziehenden, die Dinge lieber laufen lassen, als sie zurechtrücken, beschreibt Sasa Stanisic so einfühlsam wie humorvoll. Mit ökonomischer Sprache gelingt ihm eine so maximale Ausbeute an Witz, Ironie und Nachdenklichkeit, dass „Wolf“ nicht nur ein junges Publikum anspricht.

Sich wegducken bis zum Verschwinden

Sachlich erzählt auch Eloy Moreno von einem Jungen, der sich vor seinem Peiniger wegduckt und sein Leiden verbirgt – so effektiv, bis er meint, er besitze die Superkraft, unsichtbar zu sein. Ein Irrtum, der fast tödlich endet. Im Rückblick rekonstruiert „Unsichtbar“ aus verschiedenen Blickwinkeln, was das Mobbingopfer ins Krankenhaus brachte, und liest sich wie ein Protokoll. Der Abgrund, der sich zwischen distanzierter Betrachtung und der Ungeheuerlichkeit des Erzählten auftut, entwickelt die Wucht von Janne Tellers „Nichts“.

Fast zu beklemmend spitzt Moreno eine banale Schulsituation zu: Einer will abschreiben, der andere lässt nicht; die Racheakte werden immer fieser. Wie Freunde versagen, wie Eltern Warnzeichen nicht sehen, macht beim Lesen ratlos. Zum Glück gibt es eine Lehrerin, die allen einen Spiegel vorhält und rettend eingreift. Manche Wendung in Morenos Roman mag unglaubwürdig wirken, doch das gilt auch für reales Mobbing. Sasa Stanisics Erzähler bringt das Unbegreifbare auf einen einfachen Nenner: Alles an dir ist okay, „bis jemand daraus ein Problem macht“.

Info

Sasa Stanisic:
Wolf. Mit Illustrationen von Regina Kehn. Carlsen-Verlag. 185 Seiten. 14 Euro. Ab 11

Eloy Moreno:
Unsichtbar. Sauerländer-Verlag. Aus dem Spanischen von Ilse Layer. 335 Seiten. 16 Euro. Ab 13