Foto: Bock

In der Lüneburger Heide lernt Jürgen Bock viel über Landschaftspflege und über Freizeitindustrie.

Bispingen - Zwei Wochen ist unser Autor unterwegs auf Deutschlands längster Autobahn, der A7. In der Lüneburger Heide lernt man viel über Landschaftspflege - in der Nachbarschaft des Naturschutzparks dagegen eher über die Freizeitindustrie.

Der erste Eindruck von der Lüneburger Heide hat nichts mit Natur zu tun. Stattdessen fällt der Blick an der Ausfahrt Bispingen auf eine gewaltige Schihalle. Snow Dome nennt sich das Konglomerat aus Boutiquen, Biergarten, Ausrüstungsverleih und Sessellift. Die Piste ist gerade mal 300 Meter lang. Aber in einer Gegend, in der die höchste Erhebung nur 169 Meter misst, reicht das aus.

Direkt nebenan, in Blickweite der vielen Lkw auf der A 7, steht die Ralf Schumacher Kartbahn samt Fancenter. Demnächst soll ein Outlet-Dorf fürs preisgünstige Einkaufen dazukommen. McDonald's ist da, daneben wirbt eine Bude für den "Blitz-Döner". Die Kette Center Parks betreibt hier ein Freizeitparadies, ein paar Kilometer weiter lockt der Heide Park mit spektakulären Achterbahnen nach Soltau.

Gegensätze können nah beieinander liegen

Szenenwechsel. Reetgedeckte Backsteinhäuser, harmonische Landschaft. Im malerischen Totengrund sieht die Lüneburger Heide aus, wie man sie sich vorstellt. Am Horizont ragt das Dach der Schihalle aus dem Dunst. "Das sind zwei Paar Stiefel, die sich aber vertragen", sagt Julia Hallmann, "beide Dinge bringen unterschiedliches Publikum." Die Diplom-Umweltwissenschaftlerin schaut hinunter ins Tal und schiebt nach: "Aber die Besonderheit hier ist die Heide. Darauf ist man stolz in der Region. Eine Schihalle kann man überall bauen."

Jetzt im März ist die "stille, geheimnisvolle Zeit", sagt die Mitarbeiterin des Vereins Naturschutzpark. Wanderer, Radfahrer und Kutschfahrten-Teilnehmer kommen im Spätsommer, wenn Blütezeit in der Heide ist und sattes Lila leuchtet. Heute ist hier kein Mensch unterwegs. Rebhühner und Kraniche haben ihre Welt ganz für sich.

Und doch ist es der Mensch, der diese einzigartige Landschaft geschaffen hat und noch heute erhält. Heidschnucken weideten auf den nährstoffarmen, sandigen Böden. Nachts kamen die Schafe in den Stall, die Bauern sammelten den Mist als Dung. Die Landwirte mähten die Heide, eine einzigartige Flora und Fauna entstand. Als diese Art zu leben auszusterben drohte, gründete sich 1909 unter Mithilfe des Stuttgarter Kosmos-Verlags der Verein Naturschutzpark.

Heute gehören ihm große Teile der Heideflächen. Die 80 Mitarbeiter kümmern sich im Auftrag des Landes Niedersachsen um die Landschaftspflege. "Schutz ist hier der Eingriff durch den Menschen", sagt Hallmann. Heute tragen meist Maschinen nach genauen Plänen das Gras ab, damit die Heide neu erstehen kann. Die Samen halten sich im Boden bis zu hundert Jahre lang.

Doch es gibt auch noch acht Schafherden im Gebiet. Eine davon ist die von Schäfer Uwe Storm. Der hat an diesem Tag im Stall alle Hände voll zu tun. Nicht nur, weil der NDR zu Dreharbeiten gekommen ist, sondern auch, weil es 300 Lämmer zu versorgen gilt. "Normalerweise", sagt er lachend, "bin ich acht Stunden am Tag draußen."

Es wird dunkel über der Heide. Nur am Horizont leuchtet das McDonald's-Schild. Gegensätze können nah beieinander liegen.